Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Anita Grüneis · 04. Dez 2019 · Theater

„Vater“ im TAK: Vom Mann-Sein mit Vater in Kopf und Leib

Der 43-jährige Dietrich Brüggemann, bekannt als Filmregisseur und Drehbuchautor, schrieb mit „Vater“ sein erstes Bühnenwerk und inszenierte es auch gleich selbst. Die Uraufführung war im November 2017 im Deutschen Theater Berlin, nun gastierte diese Produktion an zwei Abenden im TAK und war dank des Schauspielers Alexander Khuon ein erzählerischer Genuss.

„Vielleicht schaffst du es ja, nicht so ein Arsch zu werden wie dein Vater“, meint die Frau zu ihrem Stiefsohn im Stück „Vater“ von Dietrich Brüggemann. Damit trifft sie einen zentralen Nerv des Werkes. Die Ausgangssituation ist einfach: Der Vater liegt im Sterben, sein Sohn Michael, ein Mittdreißiger, lässt im Angesicht des nahenden Vater-Todes sein eigenes Leben Revue passieren. Dabei wird natürlich auch das des Vaters gestreift, vor allem hinsichtlich einiger kindlichen Traumata. Wie zum Beispiel der kindlichen Angst vor dem Vater, der einst in einem Wutanfall drohte, die Lieblings-Schallplatte des Sohnes zu zerbrechen. Oder das Entsetzen über das Zerbrechen der elterlichen Ehe, wobei der Vater weiterhin dominant im Nacken des Sohnes sitzen bleibt, die Mutter aber kaum eine Rolle spielt, dann aber doch dem sterbenden Vater nahe sein möchte, da sie ihn ja einmal sehr geliebt hat. Das erinnert Michael daran, dass er sich selbst die Liebe immer wie ein nie endendes Musikstück vorgestellt hatte und als Erwachsener erkennen musste, dass er die Frauen, die er wollte, nicht bekam, und die anderen ihn nicht haben wollten.

Was in einem Mann alles steckt

Der Schauspieler Alexander Khuon füllt die Bühne beim Vorbeiziehen seines Lebens mit vielen Personen. Da sind seine Liebschaften: Desiree mit den langen Beinen, Katja, mit dem Feuer im Herzen und den Augen voller Glut, und Tina, die ein Kind von ihm erwartet. Da ist aber auch Sven, der Freund mit seiner Frau Sonja und den drei Kindern, oder Tante Christina, die ihm mit ihrer leicht affektierten Art besonders nahe zu liegen scheint. Während der sterbenskranke Vater (Michael Gerber) im Bett liegt – und man sich als Zuschauer irgendwann fragt, ob es diese Person überhaupt leibhaftig auf der Bühne braucht – lamentiert der Sohn über das männliche Dasein per se und die Schwierigkeit, den Vater aus Kopf und Körper zu verjagen. „Der Vater setzt sich in mich hinein“, klagt er, als er beim Kennenlernen von Desiree immerzu die Worte die väterliche Stimme im Kopf hört, die ihm sagt, wie er sein muss, um bei den Frauen Erfolg zu haben. Natürlich hemmt ihn das, und logisch, dass er derart blockiert nicht bei Frauen landen kann.

Und immer ist da der Vater

Doch es ist nicht nur der Vater, der Michael im Leib sitzt. „Man steckt ja einfach nicht drin. Man steckt ja in sich selber nicht drin“, bemerkt er, und: „Die Person, die ich wirklich bin, gibt es ja nicht.“ Klarer lässt sich die Botschaft dieses Stücks nicht sagen. Und als dann der sterbenskranke Vater doch noch aus dem Bett aufsteht, seinen eigenen sackautoritären Vater zitiert, um dann zu rufen: „Mutter, Vater seid ihr da? Kann ich zu Euch kommen?“ wird klar, dass alles immer wieder ein Kreislauf ist, dass sich zwischen Vater und Sohn alles zu wiederholen scheint. 

Alles Harte wird durchleuchtet

Alexander Khuon transportiert die Bekenntnisse des Dietrich Brüggemann mit einer erzählerischen Leichtigkeit. Dabei hilft ihm das Bühnenbild von Janja Valjarevic, in dem die jeweils genannten Menschen als Röntgenaufnahme portraitiert sind. Sie werden quasi durchleuchtet, aber da beim Röntgen nur bestimmte Strukturen abgebildet werden, vor allem die Knochen, die als weiße oder graue Konturen zu erkennen sind, und das weiche Gewebe fast die ganze Strahlung durchlässt, sind diese auch nicht abgebildet. Weichheit interessiert Väter anscheinend nicht. Dahinter steckt wohl immer noch der harte Krupp-Stahl. Eine zusätzliche interessante Deutung des Textes und der portraitierten Menschen. Fazit: Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr. Und Sohn-Sein geht gar nicht (gut). 

Weitere Aufführung: Mittwoch, 4. Dezember, 20.09 im TAK, Schaan