Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Walter Gasperi · 01. Dez 2019 · Theater

Fantastische Selbstfindung – Erica Lilleggs „Vevi“ als Weihnachtsstück am Vorarlberger Landestheater

Schule und häusliche Pflichten behagen der zehnjährigen Vevi gar nicht. Wie toll wäre es, wenn man eine Doppelgängerin hätte, die brav zuhause bleibt, während man selbst Abenteuer erlebt? – Beste Voraussetzungen für ein Stück, das durch poesievolle Inszenierung und Verbindung von kindlicher Realität und Fantasie bezaubert.

Nach dem eindrucksvollen, aber sehr düsteren „Oliver Twist“ kehrt man am Vorarlberger Landestheater mit „Vevi“ beim Weihnachtsstück wieder zu einem leichteren und kindgemäßeren Stoff zurück. Kein klassisches Kinderstück wurde aber gewählt, sondern Bérénice Hebenstreit und Michael Isenberg haben den 1955 erschienenen Roman der Grazerin Erica Lillegg für die Bühne adaptiert.
Mit Astrid Lindgrens zehn Jahre früher erschienener „Pippi Langstrumpf“ hat man Lilleggs „Vevi“ schon oft verglichen. Gemeinsam ist beiden Romanen, dass jeweils etwa zehnjährige Mädchen im Zentrum stehen, die mit den Anforderungen der Realität so ihre Probleme haben und versuchen auszubrechen und ihren eigenen Weg zu gehen.

Wunderwurzel und abenteuerliche Reise

Das Waisenkind Vevi (Vivienne Causemann) leidet unter ihrer strengen Tante, möchte lieber die Welt erkunden als Hausaufgaben machen. Als Vevi eine Mäusefamilie vor einer Schlange rettet, erhält sie als Belohnung eine Wunderwurzel, die zuhause als ihre Doppelgängerin ihre Position einnehmen kann, während sie den Traum von einer Reise nach Paris, wo ihr Bruder Christian (Luzian Hirzel) studiert, verwirklichen kann.
Reisen bieten immer Möglichkeiten für einfallsreiche Szenen. Geht es hier zunächst noch gemächlich mit dem Zug dahin, wird es schon surrealer, wenn Vevi im Stil von Münchhausen auf einer Kanonenkugel ihre Reise fortsetzt. Reichlich schräg ist dabei freilich, wie sie irgendwo im Nirgendwo einen Stopp einlegt und die Familie der großen Kanonenkugel kennenlernt.

Spielfreudiges und musikalisch starkes Ensemble

„Vevi“ lebt von der liebe- und fantasievollen Gestaltung solcher Szenen und Figuren. Ganz reduziert ist die Bühne von Mira König als schiefe Ebene mit einzelnen Falltüren, aus denen Schauspieler auftauchen können, angelegt. Eine blaue Wand reicht als Hintergrund, Requisiten sind kaum nötig, der Fokus liegt ganz auf den Figuren. Mit sichtlichem Vergnügen spielt Vivienne Causemann, souverän beherrschen Luzian Hirzel, Rahel Jankowski, Nico Raschner und Tobias Krüger auch das Changieren zwischen verschiedenen Rollen.
Nicht nur schauspielerisch vermag dieses Quintett zu überzeugen, sondern auch musikalisch in mehreren Songs (Musik: Gilbert Handler), die der Inszenierung zusätzlich Schwung und Charme verleihen und auch für Abwechslung sorgen.

Selbstbewusste Heldin als Vorbild

Bei der bloßen fantasievollen und kindgemäßen Unterhaltung bleibt es dabei freilich nicht, sondern gleichzeitig soll mit der abenteuerlustigen Vevi auch das Selbstbewusstsein des jungen Publikums gestärkt werden, aber auch um Selbstfindung geht es, wenn Vevi schließlich ihre Doppelgängerin, die es allzu bunt treibt, aufspüren und stoppen muss.
Etwas abrupt kommt dieses Ende und wirkt auch wenig entwickelt, aber das wird wieder durch den flotten Schlusssong des gesamten Ensembles wettgemacht. – Erwachsenen wird das trotz der liebevollen Inszenierung insgesamt vielleicht etwas zu kindlich sein, bei einem Publikum bis etwa zehn Jahren wird dieses Weihnachtsstück aber sicher bestens ankommen.

Die nächsten Termine bis Jahresende sind:
5./22.12., 19.30 Uhr
8./15./22./26./29.12., jeweils 15 Uhr sowie 15.12., 17.30 Uhr
Landestheater am Kornmarkt, Bregenz
www.landestheater.org