Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Dagmar Ullmann-Bautz · 28. Okt 2020 · Theater

„Torquato Tasso“ von J. W. v. Goethe als Jugendstück im Vorarlberger Landestheater

Interview mit Melina Fischer zu ihrer Produktion „Tasso!“, die am 22. November Premiere in der Box des Landestheaters feiert. Dieses Interview haben wir im Februar 2020 geführt und es war teilweise in der März-Ausgabe abgedruckt.

Dagmar Ullmann-Bautz: Sie haben mit dem Werther ein wunderbares Einpersonenstück für junge Menschen entwickelt. Wird das auch beim „Torquato Tasso“ so ähnlich sein?
Melina Fischer: Es freut mich, dass Sie mit unserem Werther offenbar etwas anfangen konnten. Ob der Tasso „wunderbar“ wird, das werden wir erleben. Was ich aber definitiv bestätigen kann, ist, dass es mir auch beim Tasso darum geht, junge – und andere – Menschen anzuregen und bestenfalls zu inspirieren, ja.
Ullmann-Bautz: Wie gehen sie vor, um so eine Geschichte aus dem 18. Jh für junge Leute interessant und spannend zu machen?
Fischer: Zunächst habe ich mich gefragt, ob es einen zeitlosen Kern im Stück gibt, der heute genauso relevant ist wie im 18. Jahrhundert. Da es den gibt – das Ringen darum, auf welche Weise es möglich ist, wirksam zu werden, sprich: die Gegenwart mit zu gestalten – habe ich im Vorfeld daran gearbeitet, den Stoff auf dieses Thema hin zu fokussieren. Dazu gehörte zum einen einiges an Text zu streichen: Goethe macht viele – unbenommen wunderbare – Worte, worum es geht, kann man zum Teil aber auch gebündelter sagen oder spielen. Zum anderen wurde mir dabei klar, dass man die Grundthese und die Konflikte schärfen kann, indem man die Figurenkostellation bündelt. So entstand meine Fassung mit drei Personen: Leonore als zentrale Frauenfigur und an ihrer Seite die Kontrahenten Tasso und Antonio.
Ullmann-Bautz: Was fasziniert sie an Goethe und seinen Figuren?
Fischer: Goethe ist meiner Meinung nach ein Suchender und Ringender und damit kann ich persönlich sehr viel anfangen. Er schafft durch Sprache Figuren (an sich schon faszinierend), die kraftvoll wollen und wünschen, aneinander oder an den Verhältnissen scheitern und verzweifeln – was dann zum Teil auch toll humorvoll ist – um letzten Endes (jedenfalls im Tasso) wieder aufzustehen und weiter zu wollen, zu wünschen usw. usf. Zum Brüllen komisch zum Beispiel wie Antonio Tasso verbal auflaufen lässt oder wie beide Männer versuchen, sich an (in unserem Fall) Leonore heran zu reden, ob mit Erfolg, das werden wir erleben.
Ullmann-Bautz: Was wollen sie den ZuschauerInnen ganz besonders näher bringen?
Fischer: Zum einen das schon erwähnte „Menschliche, Allzumenschliche“ natürlich, das steckt im Stoff, macht große Freude und ist zeitlos interessant. Aber uns beschäftigt in unserer Arbeit außerdem, auf welche Weise es möglich ist, selbst ins Handeln zu kommen und möglicherweise andere dazu anzuregen. Ist die Kunst der Weg? Oder Wissen bzw. wissenschaftliche Fakten? Die Politik? Letzten Endes dürfen wir – um es mit Harald Welzer zu sagen – Selbst Denken.
Ullmann-Bautz: Im Gegensatz zum „Werther“ arbeiten sie dieses Mal mit drei SchauspielerInnen, macht dies das Projekt einfacher oder eher herausfordernder?
Fischer: Das lässt sich schlichtweg nicht vergleichen, Kategorien wie einfach oder schwer gibt es meiner Meinung nach nicht, herausfordernd ist Theaterarbeit immer, zum Glück, deshalb mache ich es ja. Ich würde es mal so beschreiben: je mehr Menschen an einem Projekt beteiligt sind, desto mehr unterschiedliche Sichtweisen kommen zusammen, das heißt: es wird facettenreicher. Der Hauptunterschied zwischen einem Monolog wie unserem Werther und einem Mehrpersonenabend liegt darin, dass im ersten Fall der Schauspieler sich, das Thema und uns (das Publikum) hat, im zweiten die Spielerinnen zusätzlich einander, somit eine (größere) Rolle spielt, was „zwischen“ Menschen los ist und sich entwickelt – mit all dem Schönen und Schmerzhaften.
Ullmann-Bautz: Vielen Dank!