Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Dagmar Ullmann-Bautz · 30. Sep 2020 · Theater

Glücksmomente in der Krise – Nestroy-Nominierung für das Landestheater

Auch in einer Zeit der Krise gibt es erhellende Momente. Das Vorarlberger Landestheater und mit ihm alle Freunde des Theaters dürfen sich über einige ganz beachtliche Erfolgsmeldungen freuen. Gleich zu Beginn der neuen, der dritten Spielzeit von Stephanie Gräve durfte das Vorarlberger Landestheater bemerkenswerte überregionale Beachtung erfahren. Die Eröffnungsproduktion der letzten Spielzeit „Cold Songs: Rom“ wurde für den diesjährigen Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie „Beste Bundesländer-Aufführung“ nominiert. Regisseurin Bérénice Hebenstreit, die im Landestheater mit Hochwälders „Der Flüchtling“ und Lilleggs „Vevi“ überzeugen konnte, wurde für ihre Inszenierung des „Urfaust/FaustIn and out“ von Johann Wolfgang Goethe/Elfriede Jelinek am Wiener Volkstheater in der Kategorie „Bester Nachwuchs weiblich“ nominiert. Und in der diesjährigen Kritiker*innenumfrage des renommierten deutschen Theatermagazins THEATER HEUTE wurde Silvia Costa für das Doppelprojekt „SPIEL“ von Samuel Beckett und „WRY SMILE DRY SOB“ (Kreation von Silvia Costa – Uraufführung), als beste Nachwuchsregisseurin nominiert. Das Stück feierte im März 2019 seine Premiere am Vorarlberger Landestheater.

Entwaffnende Ehrlichkeit der Nestroy-Jury

Intendantin Stephanie Gräve strahlt, als wir uns über die Nominierung zum Nestroy-Preis und die Ehrungen zweier ihrer Regisseurinnen unterhalten. Auf die Frage, ob diese Nominierungen für sie überraschend gekommen seien, äußert sich Stephanie Gräve nicht nur enthusiastisch, sondern auch mit sichtbarem Stolz: „Die Nominierungen waren insofern überraschend, als wir in der ersten Spielzeit von der Nestroy-Jury überhaupt nicht wahrgenommen wurden. Ich habe dann im Laufe der Spielzeit, also im Frühjahr begonnen, Kontakt aufzunehmen, dort mal anzuklopfen und zu sagen: ’Entschuldigen sie, uns gibt es auch noch’.  Mit entwaffnender Ehrlichkeit wurde mir dort mitgeteilt, ’Ja wir müssen ihnen leider sagen, das Vorarlberger Landestheater hatten und haben wir wirklich nicht auf dem Schirm’.“

Motivation und Mut

Tatsächlich wurde dem Vorarlberger Landestheater noch nie eine Nominierung zuteil. So ist es wohl Intendantin Gräve zu verdanken, dass ein Jurymitglied aus dem fernen Wien sich überhaupt auf den Weg in den Westen machte, bleibt eine solche Theater-Reise doch undotiert. Dieser missliche Umstand wirkt zum großen Nachteil für die westlichen Häuser, da sich der Wohnsitz praktisch aller Juror*innen in Wien und Umgebung befindet. Es braucht also schon einiges an Motivation und auch Mut von Seiten des Theaters, sich in Eigeninitiative zu präsentieren. Gräve: „Denn wenn da jetzt einmal im Jahr ein Jurymitglied kommt, dann sollte das schon ein Volltreffer sein, damit es für eine Nominierung reicht.“ Natürlich war die Freude groß, als ein Jurymitglied das Stück „Cold Songs: Rom“ besucht hat. Gräve: „Ich hätte mir gewünscht, dass auch noch eine zweite Produktion gesehen wird und hab schon mit der Werbung für das Hollenstein-Stück begonnen. Aber dann kam Covid-19 und der Lockdown. Und ich dachte mir, Pech gehabt!“

Gesteigerter Marktwert

Die Freude über die am 15. September verkündete Nominierung war dementsprechend groß! Gräve spricht nicht nur für sich, sondern für das gesamte Team des Landestheaters, wenn sie auf die Bedeutung solcher Nominierungen hinweist: „Es macht uns vor allem stolz und glücklich - und Menschen, die stolz und glücklich sind, sind natürlich wesentlich motivierter in ihrer Arbeit. Es steigert unseren Marktwert, und da ich ja immer wieder gute Künstlerinnen und Künstler für unser Theater gewinnen will, ist das schon ein Vorteil. Auch wenn in Bregenz die Mittel und Möglichkeiten nicht sehr berauschend sind, kommen junge begabte Künstler*innen gerne hierher, wenn das Theater ein tolles engagiertes Team und die Chance, überregional wahrgenommen zu werden, anbieten kann.“

Förderung von Künstlerinnen

Mit Stephanie Gräve verfügt das Vorarlberg Landestheater über eine umtriebige Intendantin, sehr gut vernetzt auf Grund  ihrer schon über ein Vierteljahrhundert dauernden Tätigkeit an unterschiedlichen, auch sehr großen Häusern und auch weiterhin gerne Kontakte knüpfend, die sie über Jahre und geographische Distanzen hinweg zu pflegen und zu halten weiß. Deren Anspruch es ist, Austausch mit den Leitungen anderer Schauspielhäuser zu pflegen, sich zu beraten, Empfehlungen anzunehmen. Sich junger, begabter Künstler*innen anzunehmen, sie zu fördern und nach Bregenz zu holen ist Gräve ein großes Anliegen und dabei sind es insbesondere die Frauen, die ihr am Herzen liegen, stellt sich in ihren Augen das Theater doch nach wie vor als eine sehr männerlastige und -dominierte Einrichtung dar. „Auf meiner Regieliste waren fast nur Männer. Das will ich ändern!“

Durchmischtes Publikum

Das Publikum hat sich seit Beginn von Gräves zweiter Spielzeit verändert, wurde laut Gräve „gesellschaftlich und auch altersmäßig durchmischter, was einem Theater gut tut.“ Jetzt sollten sich das Publikum und die Besucherzahlen stabilisieren, was jedoch in einer Zeit der Auflagen, der Angst und der finanziellen Unsicherheiten sehr schwierig sei. Derzeit machen gerade die Reisewarnungen dem Theater sehr zu schaffen, da doch viele deutsche Besucher*innen nun wegblieben.

Umso erfreulicher sind die genannten Belobigungen, nicht allein das Theater und seine Mitarbeiter*innen dürfen stolz sein, sondern auch wir, das Publikum, die Theaterbesucher*innen, wir alle dürfen uns mitfreuen, hier ein kleines aber feines Landestheater zu haben, das nun auch überregional positiv wahrgenommen wird.

Die NESTROY-Verleihung 2020 wird am 4. Oktober, ab 21.25 Uhr in ORF III übertragen.

Wir drücken die Daumen!