Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Füssl · 30. Sep 2020 · CD-Tipp

Nubya Garcia: Source

Nach zwei erfolgreichen EPs, zahlreichen Auszeichnungen, umjubelten Gastauftritten bei Shabaka Hutchings, Theon Cross, Moses Sumney, Moses Boyd oder Makaya McCraven, als Co-Leaderin der exzellenten Band Nérija und Beiträgen auf wichtigen Samplern zur unglaublich angesagten, jungen Londoner Jazzszene legt Nubya Garcia nun auf dem prestigeträchtigen Concord Jazz-Label ihr Debütalbum vor. Und was für eines!

Die erst 29-jährige Tenorsaxophonistin, die gerne mit Joe Henderson, John Coltrane, Gary Bartz oder Sonny Rollins verglichen wird, hat längst ihre eigene Stimme gefunden. Sie ist zwar klassisch ausgebildet, lernte das Handwerk aber wie die meisten anderen Senkrechtstarter in London auch in der unglaublich erfolgreichen Non-Profit-Jazz-Talenteschmiede „Tomorrow‘s Warriors“ von Gary Crosby und Janine Irons. Garcia begeistert nicht nur mit ihrem expressiven, kraftvoll-explosiven Spiel, sondern mindestens ebenso mit ihrem ausgereiften und zündenden Mix aus Post-Bop, Soul-Jazz, Afro, Reggae, Calypso, Dubstep oder dem kolumbianischen Cumbia. Denn „Source“ lautet der Albumtitel nicht nur zufällig, vielmehr ist er Programm für Nubya Garcia, deren Eltern aus Trinidad und Guyana stammen. Er weist darauf hin, dass in den neun bis zu 12 Minuten langen, durch viel Gespür für Melodien und effektvolle Wendungen geprägten Eigenkompositionen musikalische Quellenforschung im Melting-Pot London betrieben wurde – allerdings keineswegs akademisch, sondern spirituell, energiegeladen, unterhaltsam und mitreißend. Nubya Garcias Working-Band besteht aus Pianist Joe Armon-Jones, Kontrabassist Daniel Casimir und Drummer Sam Jones. Sie sind die idealen Partner für diese hochenergetische, abwechslungsreiche und herausfordernde musikalische Expedition, die gut durchdacht wirkt und dennoch Überraschungen bereit hält und allen Beteiligten viel Raum zur kreativen Entfaltung lässt. Auch illustre Gäste wurden eingeladen: „Nerija“-Trompeterin Sheila Maurice-Grey steuert exzellente Soli bei und bestreitet im Trio mit Richie Seivwright und Cassie Kinoshi auf zwei Titeln auch die Gesangsparts. Auf „La cumbia me está llamando“ bezaubert das kolumbianische Frauentrio „La Perla“ mit folkloristisch angehauchten Gesängen, während auf dem finalen Stück „Boundless Beings“ die vielseitige Vokalistin Akenya aus Chicago gefeatured wird. Ein durchwegs begeisterndes Debütalbum, das unterschiedlichste Traditionen durchmisst, Zukunftsträchtiges auslotet und dabei Kopf und Bauch gleichermaßen anspricht. Wen wundert’s, dass man Nubya Garcia schon mit Titeln wie „Queen“ oder „Empress of London Jazz“ gefeiert hat?

(Concord Jazz/Universal)