Theater, wie es ehrlicher nicht sein kann - „Ulysses Roadmovie“ vom aktionstheater ensemble auf der Bregenzer Werkstattbühne
Wann immer Martin Gruber mit seinem aktionstheater ensemble nach Vorarlberg kommt, erwartet den Zuschauer spannendes, unterhaltsames, innovatives Theater. Theater, das absolut nichts mit herkömmlichen Stücken oder beliebigen Inszenierungen zu tun hat. Regisseur Martin Gruber und Dramaturg Martin Ojster erfinden sich und das Theater immer wieder neu – gemeinsam mit dem jeweiligen Ensemble. „Ulysses Roadmovie“ heißt ihr neuster Streich und feierte letzten Freitag seine Uraufführung auf der Werkstattbühne des Bregenzer Festspielhauses.
Das Konzept wurde von Gruber und Ojster entworfen, der Schweizer Literat Christian Uetz verfasste den Text. Uetz war 2005 Gast bei Poesie International am Dornbirner Spielboden. An seiner experimentellen Poesie, seinen Wortkaskaden, seinen Spracherfindungen scheiden sich die Geister. Das Spektrum reicht von totaler Begeisterung bis zu grenzenlosem Unverständnis.
Triebbestimmte Männer
Die Worte, die Uetz den SchauspielerInnen des aktionstheater ensembles in den Mund gelegt hat, sind bemerkenswert: wunderschön in ihrer poetischen Struktur, traurig, sehr ernst und total witzig - eine Mischung, die unterhaltsames Theater garantiert. Die atemberaubende Inszenierung von Martin Gruber lässt einen keine Sekunde los, hält gefangen vom ersten Wort bis zum letzten Ton. Die Auseinandersetzung der Schauspieler mit Männlichkeit und Weiblichkeit, mit Sex pur, auch mit dem Theater an sich, nimmt den Zuschauer mit auf eine außergewöhnliche, unwiderstehlich anziehende Reise. Mit machtvoller Energie zelebrieren, schreien, pflegen, zerfetzen, sprengen die Schauspieler ihre Wunschweltvorstellungen, gescheiterten Lebensentwürfe und ihr sexuelles Begehren. Die drei Männer unterscheiden sich stark in ihren Vor- und Einstellungen, alle aber sind sie in höchstem Maße triebbestimmt, von ihrem Geschlecht gesteuert.
Energiebündel Kirstin Schwab
Christian Dolezal begeistert mit wunderbar trockener Komik, nicht nur dann, wenn er von seiner Balkan-Tour mit Schnitzler erzählt. Die Körpersprache von Tobias Voigt zieht vom ersten Augenblick in den Bann. Jede, auch die kleinste Emotion wird in präzise Bewegungen, in Mimik und Gestik umgesetzt. Und auch Eduard Wildner, als in die Jahre gekommener Homosexueller, fasziniert. Seine Darstellung elektrisiert und berührt, geht an die Grenzen und überschreitet sie auch mutig - und das ohne jegliche Peinlichkeit. Neben diesen drei Schauspielern, in einer Geschichte, in der sich doch alles um den Mann dreht, braucht es eine sehr starke weibliche Kraft. Doch das ist kein Problem für die kleine, vor Energie und darstellerischer Kraft strotzende Kirstin Schwab. Sie begleitet die Männer bei ihrer Reise und sie stellt sich ihnen auch couragiert in den Weg.
Die Musik von 78plus ergänzt genial das Spiel und die Sprache. Die Musiker Erwin Schober (drums), Philipp Moosbrugger (double bass), Günther Berger und Stephan Sperlich (beide vocals und live electronics) unterstützen „Ulysses Roadmovie“ aber nicht nur mit Musik, sondern auch mit ihrer biertrinkenden Präsenz.
Prüde Vorarlberger
Vier fahrbare kleine Bühnen gestaltete der Bühnenbildner Martin Hämmerle, die Synonym für verschiedene Lebensentwürfe sein können und die dem Ensemble unterschiedliche Spielplätze bieten. Pablo Leiva und Edward Chapon entführen auf eine filmische Reise mit eindrücklichen Bildern und ungewöhnlichen Einstellungen. Der Film lässt sich mit dem Titel des Stückes begründen, doch zwingend für das Spiel war er eigentlich nicht.
Aufgefallen ist bei dieser Premiere das Unwohlbefinden des einen oder anderen Zusehers, sollte man sagen des prüden und konservativen Vorarlbergers. Der tut sich ja manchmal schwer, wenn Männer sich entblößen, sich ehrlich und offen präsentieren. - So endete ein Theaterabend, der niemanden unberührt ließ!