Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Walter Gasperi · 24. Mai 2010 · Theater

Frauenbilder, Männerphantasien

Mit lang anhaltendem Applaus wurde die Uraufführung von „Kleine Riesen Gletscherspalten“ im Seezentrum Hard gefeiert. Regisseurin Dagmar Ullmann-Bautz, die das Stück auch selbst geschrieben hat, rechnet bei dieser 18. Produktion des Anarttheaters in lockerer Szenenfolge sehr witzig sowohl mit Frauenbildern als auch mit Männerphantasien ab.

Wenn jemand in einem Stück Schwänzler heißt, kann man schon ahnen, worauf das Interesse dieser Person ausgerichtet ist. Dagmar Ullmann-Bautz stellt einen solchen Herrn Schwänzler in den Mittelpunkt ihres von Fellinis Film „Die Stadt der Frauen“ inspirierten Stückes. Naheliegend ist, dass er den Frauen „nachschwänzelt“. Nach einem harten Arbeitstag sitzt er erschöpft im Zug und bald füllt sich das Abteil – natürlich mit drei Frauen.

Umgekehrte Verhältnisse

Auf die Nonne hätte Schwänzler ebenso verzichten können wie die biedere Frau mit Kleintierkäfig. Interessant wird es für ihn allerdings als eine attraktive Dame in knallrotem Kleid zusteigt. Zu kurz sind aber die Tunnel, um ihr richtig näher kommen zu können - und dann ist sie auch noch plötzlich weg.
Spielt Ullmann-Bautz hier schon ironisch mit Frauenrollen und Frauenbildern, so legt die Dramatikerin und Regisseurin noch einiges drauf als Schwänzler auf der Suche nach der Lady in Red auf der Galerie und damit in einem Frauenkongress landet.
Wie Ullmann-Bautz im Stück die Geschlechterverhältnisse auf den Kopf stellen wird, stellt sie überhaupt die Theatersituation auf den Kopf, indem die Zuschauer auf der Bühne Platz nehmen, der Zuschauerraum dagegen als Bühne dient. Dies ermöglicht der Regisseurin zudem die Galerie mit einzubeziehen. Von dort aus sorgen nicht nur die Musiker Sigi Konzett und Gerry Zucol schon vor Beginn der Vorstellung mit jazzigen Klängen für die richtige Stimmung, sondern begleiten auch in der Folge das Geschehen. Zudem ermöglicht diese „Bühne“, bei der auf jedes Bühnenbild verzichtet wird, die Handlung zwischen Oben und Unten wechseln zu lassen und ihr so zusätzliche Dynamik zu verleihen.

Wenn der Traum zum Albtraum wird

Bei dem Frauenkongress wird Schwänzler – und dem Zuschauer - von einem androgynen Zeremonienmeister, der die weibliche wie die männliche Psyche gleichermaßen zu kennen scheint, in die wahre Welt der Frauen, die zu verstehen Schwänzler nie versucht hat, eingeführt. Er wird Zeuge von Workshops zu Frauenklettern, Intimrasur, Trommeln oder weiblicher Selbstfindung, einer Diskussion über Sexgöttinnen oder den Orgasmus. Auch eine Anfrage an Dr. Winter bezüglich Beziehungsproblemen oder ein Kurs für Jugendsprache, um seine eigenen Kinder im Teenageralter zu verstehen, fehlen hier nicht.
Luftig-leicht kommen diese kurzen ironischen Szenen durch das unbefangene Spiel der zehn in Mehrfachrollen auftretenden Darstellerinnen daher. Das ist aber nicht nur höchst amüsant, sondern veranlasst den Zuschauer auch über Geschlechterrollen zu reflektieren.
Schwänzler wird so viel weibliche Psyche aber rasch zu viel und er flüchtet, bald per Leintuch nach unten, wo ihn allerdings noch Schlimmeres erwartet. Lange bleibt der Mann so in der Zuschauerposition, doch die Abrechnung mit diesem Macho darf natürlich nicht fehlen. Bevor er aber den Frauen ins Netz geht, wird er noch Zeuge, wie Dr. Mauser – nomen est omen – seine 10.000 Eroberungen ausstellt, und muss über seine eigenen sexuellen Erfahrungen berichten. Das Urteil des weiblichen Tribunals kann freilich angesichts so wenig Bereitschaft sich auf die Frau einzulassen und sie rein auf ein Sexobjekt zu reduzieren, nur unmissverständlich und einstimmig ausfallen.

Bunt schillernde Szenenfülle

Ullmann-Bautz baut keine langen Handlungsbögen auf, setzt vielmehr auf die rasche Abfolge kurzer Szenen. Das sorgt für Tempo und inhaltliche Fülle, ermöglicht gleichzeitig den Einsatz unterschiedlichster künstlerischer Mittel: Vieles wirkt kabarettistisch, einen Hauch von Akrobatik strahlen die Kletterszenen aus und dazwischen gibt es immer wieder Gesangsnummern zum „Frausein“. Ausgehend von einer genau beobachteten Realität gelingt der Regisseurin dabei hervorragend die Verschiebung ins ironisch Leichte und manchmal auch bissig Böse.
Unterstützt von zehn Darstellerinnnen, die ohne Scheu und mit sichtlichem Vergnügen ihre unterschiedlichen kleinen Rollen ausfüllen, und Hanno Dreher, der in der Rolle des zunehmend irritierten und in die Enge getriebenen Schwänzler brilliert, werden so 90 Minuten kurzweilige Unterhaltung geboten, bei der man herzhaft lachen kann, ohne dass man bei diesem fantasievollen und teils grotesken Spiel mit Frauenbildern und Männerphantasien je den realen Hintergrund aus den Augen verlieren würde.


Weitere Aufführungen: 26./28./29.5. sowie 1./2./4./5.6. 2010, jeweils 20 Uhr im Seezentrum Hard