Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Dagmar Ullmann-Bautz · 03. Mai 2010 · Theater

Wer schleimt, mobbt und intrigiert, gewinnt!

Das Auftragswerk des Vorarlberger Landestheaters „Die Anstalt oder ein ORFler in der Unterwelt“ von Franzobel feierte am 30. April seine Uraufführung in Bregenz. Nach zwei öffentlichen Probeaufführungen im ORF-Publikumsstudio war Franzobels Stück „über die allmähliche Verfertigung des Menschen im Betrieb“, schon vor der Premiere im Gespräch. Die Leute mögen es, wenn einer Institution auf die Finger geklopft wird.

Landestheater-Intendant Alexander Kubelka führte Autor Franzobel und ORFler Oliver Baier zusammen und gabe ein Stück in Auftrag, das der bewährte Karl Baratta inszenierte. Oliver Baier hatte dem Autor seine Geschichte, seinen Werdegang beim ORF erzählt, und dieser entwickelte dazu eine Art Paraphrase, ein Stück, das exemplarisch auf verschiedenste Institutionen und Firmen umgelegt werden kann. Der Untertitel „Über die allmähliche Verfertigung des Menschen im Betrieb“ bringt deutlich zum Ausdruck, worvon dieses Stück erzählt.

Bewundernswerte Sprachkunst

Für Autor und Regisseur war es von Bedeutung, dass das Stück inhaltlich über die Grenzen des ORF hinausreicht, denn Intrige und Korruption, Machtmissbrauch und Mobbing stehen inzwischen fast überall auf der Tagesordnung. Franzobels Sprachkunst ist bewundernswert, sein Umgang mit Worten, mit Diktion, hat eine eigene in Bann ziehende Qualität. Einerseits geht er den Dingen ernsthaft auf den Grund, während er gleichzeitig unterhaltsamste Pointen setzt. In zweifacher Hinsicht zu erwähnen ist zudem Franzobels Humor: erstens weil Intendant Kubelka bei seiner Premierenansprache die Intelligenz des Publikums lobte, das Pointen erkannte, die er beim Lesen nicht gesehen hatte, zweitens weil unsere Sitznachbarin durchgängig stuhlreihenerschütternd wieherte und kreischte. Vermutlich wähnte sie sich auf einem Jahrmarktsfest, denn nach einer halben Stunde packte sie ihren Rucksack aus, öffnete laut zischend eine Flasche Cola, die irgendwann leer zwischen den Sitzen kullerte. Man hörte anschließend, dass die Dame kulturell tätig sei. Da fällt einem doch ein Zitat aus dem Stück ein: „Unterhaltung, wie schon der Name sagt, ist unten."

Eine Spur zu lang

Franzobels Text bewährte sich in Bregenz auch dank einer kreativen Regiearbeit und engagierter Schauspieler. Regisseur Karl Baratta ist ein Künstler, wenn es darum geht eigenwillige Texte auf die Bühne zu bringen. Sein Verständnis für Sprache kommt aus seiner ursprünglichen Tätigkeit als Dramaturg. Tempo und Rhythmus sind wohl proportioniert, der Text haargenau platziert, die Figuren komparabel und bemerkenswert gezeichnet. Hervorragende Ideen, wie das Spionier- und das Frusthäuschen, der Einsatz von Musik, Gesang und Tanz bereichern das Stück und setzen weitere Glanzpunkte. Ein kleiner Wehrmutstropfen hat der Abend doch: zwei Stunden ohne Pause sind eine Spur zu lang und an ein oder zwei Stellen hätte eine kleine Straffung dem Theaterabend gut getan.

Tolle Ensembleleistung

Viel zum Gelingen des Stückes haben die durchwegs tollen und äußerst motiviert agierenden SchauspielerInnen beigetragen. Sie überzeugten mit enormem Einsatz als harmonisches Ensemble. Die Wandlung des Parsifal Beiersdorfer vom ungelenken Volontär zum selbstbewussten Showmaster bewerkstelligte Oliver Baier mit Bravour. Zur großen Freude des Publikums stand Kurt Sternik  (als Programmdirektor Orpheus Groll) wieder einmal auf der Bregenzer Bühne und hat glanzvoll bewiesen, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Mario Plaz als Albert Matschinger zeichnete eindrücklich eine Figur, die „dazwischen steht“, während Vera Rost (überzeugend und wunderbar dosiert Tamara Stern) sich naivst in den Vordergrund spielt. Absolut reizend Julia Jelinek als Yvonne Daham, die kleine süße Maskenbildnerin und Geliebte des Chefs Konrad Kriech (Wolfgang Pevestorf), der, bewaffnet mit Berliner Schnauze und einem Gewehr, die Anstalt regiert. Vollblutschauspielerin Stephanie Brenner faszinierte gleichermaßen als spielende, singende und tanzende Lottofee Euriditsche Zapfinger, die es versteht, an Fäden zu ziehen.

Thema auf den Punkt gebracht

Die Bühne von Paul Lerchbaumer überzeugt durch klare Einfachheit und Funktionalität. Cornelia Brey steckte die SchauspielerInnen überwiegend in dunkles Grau – die Farbe des Managements – und machte damit eine klare Ansage. Die Musik von Boris Fiala unterstützte die feine Inszenierung des Regisseurs.
Ein unterhaltsamer Abend, der auf eindrückliche Weise mit einer bildreichen Sprache, interessantesten Wort- und Satzkreationen und feiner Schauspielkunst das Thema des „menschlichen Miteinanders und Umgangs“ neben der Auseinandersetzung mit  „Fernsehunterhaltung“ auf den Punkt bringt.