Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Peter Füssl · 02. Mai 2010 · Tanz

Tanzkunst voller Witz und Esprit – das Nederlands Dans Theater II brillierte beim Bregenzer Frühling

Dass sich das vor mehr als dreißig Jahren als Talenteschmiede des renommierten Nederlands Dans Theaters gegründete Nederlands Dans Theater II auf allerhöchstem Niveau bewegt, ist längst bekannt. Zum Einser-Team gibt’s kaum mehr Unterschiede, vielleicht einmal abgesehen davon, dass sich die Akteure altersmäßig irgendwo zwischen 17 und 23 Jahren bewegen. Beim Bregenzer Frühling sorgten sie mit ihrem dreiteiligen Abendprogramm für ein absolutes Highlight.

„Passe-Partout“

Das vom Nederlands-Hauschoreographen-Duo Paul Lightfoot und Sol León entworfene Bühnenbild ist ebenso einfach wie wirkungsvoll. Die auf mehreren Ebenen hintereinander gestaffelten Wände mit ihren breiten torartigen Durchlässen können alle einzeln verschoben werden – als eine Art überdimensionale Passepartouts bieten sie den zwei Tänzerinnen und vier Tänzern ein wandelbares Exerzierfeld für die Umsetzung des vor einem guten Jahr uraufgeführten Stückes. Zur Musik von Philip Glass stellten sie eindrucksvoll ihr enormes Bewegungsrepertoire und ihre perfekte Körperbeherrschung unter Beweis. Lange anhaltender Applaus am Ende der 25-minütigen Tanzperformance machte klar, dass sich das junge Ensemble gleich schon auf Anhieb in die Herzen des Bregenzer Publikums getanzt hatte.

„Gods and Dogs“

Der vielfach ausgezeichnete Altmeister und langjährige Ensemble-Leiter Jiří Kylián erkundet mit seiner 2008 uraufgeführten Choreographie „Gods and Dogs“ die unsichtbaren Grenzen zwischen Normalität und Verrücktheit, zwischen Gesundheit und Krankheit. Zur Musik von Beethoven und von Kyliáns „Leibkomponist“ Dirk Haubrich überzeugten die Akteure mit ihrer gleichermaßen unkonventionellen wie ausdrucksstarken Bewegungssprache. Das von Atsushi Kitagawara entworfene Bühnenbild wurde durch das ausgefeilte Lightdesign von Kees Tjebbes verfeinert, der auf die Schnüre an der Rückwand eine Art Wasserfall zauberte. „Jede neue Generation muss jene zwielichtigen Zonen der menschlichen Existenz neu für sich definieren. Dennoch ist sicher, dass jede Art von Entwicklung einen gesunden Schuss Verrücktheit braucht“, resümiert Jiří Kylián. Im Festspielhaus muss es gestern einen wahren Entwicklungsschub gegeben haben!

„Minus 16“

Zu den witzigsten und phantasievollsten Choreographen des zeitgenössischen Tanzes zählt sicherlich der 1952 in einem israelischen Kibbutz geborene Choreograph und Tänzer Ohad Naharin, dessen 1999 uraufgeführtes Stück „Minus 16“ zu den absoluten Hits des Nederlands Dans Theaters II zählt. In dieser tänzerischen Nummernrevue zu Musik von Dean Martin, zu Mambos, Cha-Cha-Cha und traditioneller israelischer Musik bleibt kein Auge trocken. Selten wird auf Tanzbühnen auf so hohem Niveau dermaßen liebevoll geblödelt, wird überschäumende Bewegungsfreude zur wahren Lebensfreude, an der man auch spontan aus dem Publikum geholte „TanzpartnerInnen“ teilhaben lässt. Interessant auch, dass Naharin in diese Performance praktisch eins zu eins Versatzstücke aus dem Stück „Deca Dance“, das er als künstlerischer Leiter der Batsheva Dance Company Tel Aviv geschrieben hatte, einbaut. Dadurch wurden durch den Riesenspaß mit dem Nederlands Dans Theater II gleich auch noch schöne Erinnerungen an den gloriosen Auftritt des israelischen Ensembles beim Bregenzer Frühling 2001 geweckt.