Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Annette Raschner · 02. Mär 2019 · Theater

Sinnlicher Beckett

50 Jahre nach der Verleihung des Literaturnobelpreises an den irischen Schriftsteller Samuel Beckett und 30 Jahre nach dessen Tod zeigt das Vorarlberger Landestheater in der Box eine Produktion an der Schnittstelle von Theater und bildender Kunst: Becketts Drama „Spiel“ und „Wry Smile Dry Sob“; Eine musikalisch-choreografische Installation zum Werk Becketts der italienischen Regisseurin Silvia Costa.

Die Box, früher Kleines Haus genannt, ist nicht wiederzuerkennen. Der Boden ist mit einem Teppich ausgelegt worden, das alte Mobiliar erinnert an eine Stadtwohnung, in der die Zeit stehen geblieben ist (Raum: Silvia Costa).
Die aus Treviso stammende künstlerische Grenzgängerin Silvia Costa hat sich für die zweiteilige Produktion von den Charakteren aus Becketts Drama „Spiel“ anzünden lassen. Es handelt sich dabei um einen stark autobiografisch gefärbten Text – der irische Schriftsteller hatte eigene schmerzliche Erfahrungen mit zwei Frauen einfließen lassen... 

„Spiel“ 

Man findet alle zentralen Motive aus Becketts berühmtestem Stück „Warten auf Godot“ wieder. Die unendliche Wiederholung der Grunderfahrung von Absurdität im ausweglosen Dilemma des Daseins, der existenzielle Schmerz und die Unmöglichkeit wirklicher Begegnungen. „Spiel“ hebt als klassische Ménage-à-trois an, aber der Mann (Grégoire Gros), dessen Ehefrau (Zoe Hutmacher) und dessen Geliebte (Fabienne Trüssel) sind tot. Ihre Körper stecken in Urnen fest, nur der Kopf schaut noch heraus.  Im Stakkato-Tonfall spulen die drei ihre Erinnerungen ab. Selbst im Tod haben sich die emotionalen Verstrickungen, das Ringen um die Inbesitznahme des Mannes, sowie dessen Schuldgefühle nicht aufgelöst.
Die drei Darsteller/innen sitzen im überhöhten Regiepult, blicken starr nach vorne, Lichtspots fungieren als Aufforderung zum Sprechen. Schließlich ist Becketts Drama auch ein Spiel über das Spiel. Der irische Schriftsteller hat das eigene Genre auf seine elementarsten Komponenten (Monolog, Dialog, dramatischer Konflikt etc.) reduziert und lässt Nebensächliches wie die Technik zur Hauptsache werden. 

„Wry Smile Dry Sob“  

Für Silvia Costa hat „Spiel“ wie eine Quelle funktioniert, die ihre Arbeit über Samuel Beckett in Licht getaucht hat. Im ersten Teil sprechen die Köpfe und deren Münder, im zweiten, der freien szenischen Installation „Wry Smile Dry Sob“, was so viel heißt wie „leichtes Schmunzeln, leises Schluchzen“, sind es sechs Körper (Gros, Hutmacher, Trüssel sowie die drei Tänzerinnen Silvia Salzmann, Leonie Humitsch und Rosabel Huguet), die mit stark verlangsamten, präzise durchchoreografierten, zeitgleich stattfindenden Bewegungen im Betrachter Bilder von Verführung, Macht, Schmerz und Leidenschaft wachrufen.
Die drei Hauptfiguren sind nun getrennt, die Distanz schafft Raum für den Betrachter bzw. die Betrachterin, der/die ganz nah bei den Akteuren sein und im Herumwandern entscheiden kann, welches Detail er/sie gerade sehen möchte. Und das stellt sich als äußerst reizvoll heraus! 

Überzeugende Darsteller/innen, spannendes Regiekonzept 

Denn während im ersten Teil genaues Zuhören erforderlich ist, schärft der zweite unsere visuelle Wahrnehmung. Im ersten Teil überzeugen die drei SchauspielerInnen, im zweiten entfaltet Silvia Costas visuell-poetische Theatersprache mit den atmosphärischen Sounds von Nicola Ratti eine ganz eigene suggestive Kraft. „Spiel“ und „Wry Smile Dry Sob“ bietet ein Theatererlebnis der besonderen Art. Intim, erotisch, sinnlich, aber nie obszön!

Weitere Aufführungen:
2./14./15./16./17.3., jeweils um 19.30 Uhr
3.3., um 20.30 Uhr
16.3., zusätzlich um 22 Uhr