"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Anita Grüneis · 27. Feb 2019 · Theater

“Hermann und Dorothea” im TAK:  J. W. Goethe reloaded

Mit dem Stück “Hermann und Dorothea” von Johann Wolfgang Goethe gastierte das Burgtheater Wien im TAK und bewies, dass das Werk, vor über 200 Jahren geschrieben, nichts an Aktualität eingebüßt hat. Auf dem Bühnenboden standen unzählige elektrische Teelichter, in ihrer Mitte zwei schwarze Tische mit je einem Stuhl. Auf der linken Seite ein schwarzes Klavier und eine hölzerne Klappleiter, die mit Blumenkränzen geschmückt war und den schriftlichen Hinweis trug: „Neun Musen“. Im Bühnenhintergrund eine große Leinwand, auf der gekräuseltes Wasser zu sehen war. Das Bühnenbild von Jura Gröschl strahlte eine Aura von ewiger Ruhe aus. In diesem Setting wurde Goethes über 200 Jahre altes Stück „Hermann und Dorothea“ von zwei schwarz gekleideten Schauspielern szenisch gelesen oder besser: „zum neuen Leben erweckt“ und „mit neuer frischer Energie geladen“. Goethe reloaded.

Das Kunststück gelang Regisseur Alfred Kirchner mit den Schauspielern Maria Happel und Martin Schwab. Die Sprache Goethes ließe sich als „Nabelschnur zur Menschlichkeit“ bezeichnen, schrieb Alfred Kirchner im Programmheft, und weiter: „Insofern als Goethe den deutschen eher schüchternen, aber bodenständigen Hermann auf ein flüchtendes, fremdes Mädchen treffen lässt, und dieses mit dem christlich-griechischen Namen Dorothea bedenkt, was nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als doron/Gabe, theos/Gott, also ein Gottesgeschenk für den jungen Mann, der noch auf der Suche nach seinem Lebensweg ist. Es wird ein durch die Kraft der Poesie ermutigendes Modell einer beweglichen und menschlichen Gesellschaft errichtet, die das Fremde zu integrieren in der Lage ist.“

Goethe und der Flüchtlingstreck

Und damit ist Goethe im Heute und dem Flüchtlingsthema angelangt. Auch wenn die Sprache dieses „Epos in neun Gesängen“ in Hexametern geschrieben wurde und viele, für unsere Ohren altertümliche Wendungen aufweist, so ist der Inhalt doch zutreffend. Goethe wusste genau, wie es in einem schüchternen jungen Mann aussieht und er kannte auch die Frauen bestens. So lässt er den Vater von Hermann sagen: „Sind doch ein wunderlich Volk die Weiber, so wie die Kinder! / Jedes lebet so gern nach seinem eignen Belieben, / Und man sollte hernach nur immer loben und streicheln. / Einmal für allemal gilt das wahre Sprüchlein der Alten: / Wer nicht vorwärts geht, der kommt zurücke! So bleibt es.“ Und sein Sohn gesteht der Mutter: „Alles liegt so öde vor mir, ich entbehre der Gattin.“ Die Mutter versteht alles, vor allem ihre beiden Männer, die wie „zwei Felsen gegeneinander“ stehen. Und sie weiß, dass der Vater am besten in Gegenwart seiner Trinkkumpanen, dem Apotheker und dem Pfarrer, zu nehmen ist.

Die große Schauspielkunst aus Wien

Maria Happel und Martin Schwab gaben all diesen Figuren eine eigene Persönlichkeit. Ob Maria Happel die fürsorgliche Mutter sprach oder den Apotheker – ihre Worte kamen immer aus dem Inneren der jeweiligen Person. Ebenso bei Martin Schwab. Dabei schafften sie es, die feine Ironie im Text erblühen zu lassen, sehr zur Freude des Publikums, das sich fast zwei Stunden lang am gepflegten Wortschwall der beiden erfreute und dabei gleichzeitig vor dem geistigen Auge einen Kostümfilm aus vergangen Zeiten an sich vorbeiziehen sah. Da saß der geschwätzige Apotheker, der salbungsvolle Herr Pfarrer, der trinkfreudige Wirt und Vater von Hermann, die besorgte Mutter, das beherzte Flüchtlings-Mädchen Dorothea und der schüchterne Hermann. Man hörte die Hengste schnauben und spürte das Gewühl eines Flüchtlingstrecks. Die passende Musik stellte David Müllner zusammen, dabei durfte Maria Happel auch mal singen und Klavier spielen. Zu hören waren unter anderem auch Werke von Bartok, Schubert, Pirchner und Jordi Savall zu hören.
Die Geschichte von „Hermann und Dorothea“ hat natürlich ein Happyend. Goethe wusste genau, was das Publikum mochte. Und doch ist dieses Werk seit fast einhundert Jahren von den Spielplänen nahezu verschwunden. Nach dieser spannenden und humorvollen Lesung, die dank der großartigen Schauspielkunst von Maria Happel und Martin Schwab wie eine Familien-Soap zu Revolutionstagen wirkte, ist das doch verwunderlich.

Nächste Vorstellung im TAK, Schaan: 27. Februar, 20.09 Uhr