Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Dagmar Ullmann-Bautz · 10. Mär 2019 · Theater

Auseinandersetzung mit regionaler Geschichte – „Der 27. Kanton“ im Vorarlberger Landestheater

Am Freitag feierte das sehr gut besuchte Landestheater die Uraufführung von „Der 27. Kanton“. Intendantin Stephanie Gräve hatte zwei Stücke für einen Abend in Auftrag gegeben. Die beiden Autoren, der Österreicher Thomas Arzt und der Schweizer Gerhard Meister, haben sich mit Vorarlberg und den Ereignissen von 1919 auseinandergesetzt. Daraus entstanden zwei ganz unterschiedliche Stücke: So verknüpft „Die Verunsicherung“ die damaligen Geschehnisse mit dem Heute während das Stück „Lauter vernünftige Leute“ den Verlauf der Geschichte auf den Kopf stellt.

Lebhafte Diskussionen

„Die Verunsicherung“ des in Oberösterreich aufgewachsenen und in Wien lebenden Thomas Arzt spielt in einem Vorarlberger Gasthaus namens Kaiserstüberl, das durch sein Rundherum und seine Bezeichnung eher an ein Wiener Beisl erinnert als an ein regionales Dorfgasthaus, was doch etwas verunsichert. Und auch die Verunsicherung der ProtagonistInnen durch die Landvermesser hat mehr Bezug zur damaligen Geschichte Ostösterreichs als zu dem, was 1919 in Vorarlberg tatsächlich vor sich ging oder auch zu den Vorgängen vor dem Zweiten Weltkrieg. Arzts Sprache und seine Figuren gefallen. Auch wenn der Inhalt nicht wirklich überzeugt, generierte er doch eine leichte Verunsicherung des Publikums und entfesselte danach lebhafte Diskussionen.

Klug und spannend

In „Lauter vernünftige Leute“ des im Emmental aufgewachsenen und in Zürich lebenden Autors Gerhard Meister wechseln die VorarlbergerInnen von 1919 bis heute mehrmals ihre Staatszugehörigkeit. Eine hochinteressante, sehr ausgeklügelte Idee des Autors, die einen höchst humorvollen und auch spannenden Blick auf die VorarlbergerInnen und ihre Geschichte wirft.

Tolle Bühne in kreativem Licht

Die Regisseurin Patricia Benecke inszenierte die beiden sehr unterschiedlichen Stücke in einem Guss, mit sehr viel Gespür für die einzelnen Figuren, für Wechselwirkungen von Humor und Ernsthaftigkeit und einem klaren Gefühl für Rhythmus. Carolin Mittler, verantwortlich für die Ausstattung, hat eine für beide Stücke perfekt funktionierende, multifunktionale Bühne kreiert und dazu trefflich charakterisierende Kostüme entworfen. Ein altes Röhrenradio als Grundelement, in klein sowie als überdimensionaler Schrank, fügt sich großartig in beide Stücke. Arndt Rössler nutzte alle seine Möglichkeiten und spielte sehr kreativ auf der Klaviatur des Lichtes und potenzierte Stimmungen wie Emotionen.

Großartiges Ensemble

Sechs SchauspielerInnen spielen sämtliche Rollen beider Stücke. Ein ganz wunderbares Ensemble, das mit Energie und Präsenz alle Figuren auf den Punkt zu spielen weiß - Rahel Jankowski äußert kraftvoll, Bo-Phyllis Strube sehr genau, Elke Maria Riedmann trefflich unerschütterlich, Felix Defèr beseelt brennend, David Kopp eindrucksvoll differenziert und Luzian Hirzel wunderbar leicht.

Eindrückliche Bilder

„Der 27. Kanton“ löste zahlreiche Diskussionen aus, der Abend polarisierte und bleibt durch die eindrücklichen Bilder, die von Regie, Ausstattung und den SchauspielerInnen geschaffen wurden, nachhaltig im Gedächtnis. Den Verantwortlichen bescherte er den verdient langanhaltenden Applaus des Publikums.

Weitere Vorstellungen:
12./23./29.3. sowie 7./10./18.4., jeweils 19.30 Uhr
Vbg. Landestheater am Kornmarkt, Bregenz

auswärts: 11.4., 20 Uhr, Reichshofsaal Lustenau