"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Dagmar Ullmann-Bautz · 31. Jän 2013 · Theater

Sauberes Handwerk ohne neue Entwürfe – Edward Albees Klassiker am Vorarlberger Landestheater

Mit zehn Tagen Verspätung feierte gestern „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ am Vorarlberger Landestheater Premiere. Nach gesundheitlichen und anderen Problemen mussten vor knapp vier Wochen sowohl Regisseur als auch ein Schauspieler ausgewechselt werden. Was eigentlich ein absoluter Knaller, ein Feuerwerk hätte werden können und sollen, geriet unter diesen Umständen zum braven, sauber gearbeiteten Theaterabend mit Schauspielern, die ihr Bestes gaben. Geschuldet der kurzen Probenzeit wirkten sie bei der Premiere dann doch etwas angestrengt, was sich im Laufe der Spielzeit noch legen sollte.

Edward Albee schrieb das Stück, das im Titel die englische Schriftstellerin Virginia Woolf erwähnt und eine Anspielung auf das Kinderlied „Wer hat Angst vor dem bösen Wolf“ ist, im Jahr 1954. Das Zitat hatte der Autor im Waschraum einer Bar als Wandschmiererei gelesen und ihn als typischen Universitätswitz interpretiert: „Wer fürchtet sich vor einem Leben ohne falsche Illusionen?“ Mit seinem Stück „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ schuf Albee einen Klassiker, der sowohl Theater als auch Filmgeschichte schrieb.

Grenzenlose Hassliebe

Mike Nichols adaptierte das Theaterstück 1966 fürs Kino und produzierte mit seinem Regiedebüt ein preisgekröntes Werk. Das düstere Kammerspiel mit Richard Burton und Elizabeth Taylor als George und Martha erreichte 1967 dreizehn Oscar-Nominierungen. Fünf davon konnte der Film am Ende für sich verbuchen, darunter auch die Auszeichnung für die beste Hauptdarstellerin – Elizabeth Taylor.

Martha und George, seit gut 20 Jahren verheiratet, kommen nach einer Party angetrunken nach Hause. Zu Georges Überraschung hat Martha auch noch Gäste eingeladen, was dem alternden Geschichtsprofessor sehr missfällt. Als das junge Paar, Nick und Honey, eintrifft, hat sich die Stimmung zwischen Martha und George bereits zum Siedepunkt aufgeheizt. Es beginnt ein schauderhaftes Spiel zwischen den beiden, die in ihrer Hassliebe keine Grenzen mehr zu kennen scheinen. Anfangs sehen Nick und Honey noch hilflos zu, werden aber bis zum finalen Akt mit in dieses abgründige emotionale Karussell gezogen, das sich immer schneller zu drehen beginnt.

Bravouröser Helmut Rühl

Annegret Ritzel, die kurzfristig die Regie von David Jentgens übernommen hat, geht kein Risiko ein, sie arbeitet sehr genau am Text und an dem was darunter liegt, bedient sich aber an bekannten und funktionierenden Mustern. Anderes wäre in dieser kurzen Probenzeit wohl auch nicht möglich gewesen. Trotzdem ist es schade um die Chancen und das Potential, die dieser Text anbietet. Auch das Bühnenbild von Paul Lerchbaumer ist klassisch schön, ohne große Überraschungen. Mit wenig, punktuell sehr genau gesetztem Licht schafft Arndt Rössler Stimmungen.

Besondere Anerkennung gilt Helmut Rühl, der, ebenfalls kurzfristig eingesprungen, die Figur des Georg mit absoluter Bravour meistert. Er zieht die Fäden, er bestimmt das Spiel, trägt seine Emotionen provokant zur Schau und berührt besonders im Moment größter Eifersucht – als Martha mit Nick in der Küche verschwindet. Helga Pedross spielt die Martha mit großer Souveränität und Überzeugungskraft. Mit entfesselter Energie hält sie nicht nur ihre Gäste, sondern auch die Zuschauer in Atem. Schade nur, dass man ihr diese unsägliche Perücke verpasst hat! Alexandra Maria Nutz weiß als Honey Süße auszustrahlen, die immer bitterer wird. Genauso wie ihr Mann Nick gerät sie zwischen die beiden Mahlsteine Martha und Georg. Alexander Julian Meile verleiht Nick eine äußerst kühle Fassade, hinter der man es brodeln sieht.

Trotz fehlender Überraschungen erlebte das Publikum einen unterhaltsamen Theaterabend und goutierte diesen mit lang anhaltendem Applaus.