Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Anita Grüneis · 08. Apr 2022 · Theater

„Play Strindberg" im TAK – auch eine glückliche Ehe ist ein Schlamassel

August Strindbergs „Totentanz“ – die Mutter aller Ehetragödien – wurde vor über 50 Jahren von Friedrich Dürrenmatt in die kompakte Komödie „Play Strindberg“ umgeformt. Nun gastierte das Deutsche Theater Berlin mit dem Stück im TAK. Wenn auch nur als Szenische Lesung dargeboten, sorgten die brillanten Schauspieler Ulrich Matthes, Sophie Rois und Manuel Harder für einen kurzweiligen Theaterabend.

Wenn – kurz vor der Silbernen Hochzeit – die 25 Jahre Ehe von Alice (Sophie Rois) als 25 Jahre Elend beschrieben werden, wird schnell klar, wie es um diese Ehe von Edgar (Ulrich Matthes) und Alice (Sophie Rois) steht. „Wir hatten es manchmal auch nett“, meint Edgar. „Das bildest du dir nur ein“, entgegnet Alice desillusioniert. Das Stück ist ein einziger Schlagabtausch zwischen den beiden Protagonist:innen, der gar noch gehässiger wird, als Kurt (Manuel Harder), der ebenfalls von seiner Ehe enttäuschte Vetter von Alice, später als Besucher auftaucht. Entsprechend hat Dürrenmatt sein Werk nicht in Akte, sondern, einem Boxkampf gleich, in 12 Runden aufgeteilt.

Der Ton macht die Musik

Vor einem samtenen dunkelroten Vorhang stehen auf der Bühne drei schwarze Tische und Stühle, an denen die Schauspieler:innen Platz nehmen. Ulrich Matthes gibt seinen Edgar, einen Militärschriftsteller, in abgewetztem Offiziersmantel und Stiefeln, als alten, tyrannischen Haudegen. Egal ob er genüsslich sein Brathühnchen verzehrt oder an seinem Whisky schlürft, seine Präsenz ist allgegenwärtig. Sophie Rois trägt als ehemalige Schauspielerin Alice ein bodenlanges Abendkleid, das mit seinen überdimensionierten Flügelärmeln an einen gefallenen Engel oder aber einen Drachen erinnert (Kostüme und Bühne Janja Valjarević), je nachdem, welchen Tonfall sie gerade wählt, um ihrem Gemahl auf die Füße, um nicht zu sagen, in die Eier zu treten. Ihre ausdrucksstarke Mimik sagt dabei oft mehr aus als tausend Worte.

Liebe oder Hass?

Abgeschieden in einem Turm auf einer Insel lebend, die beiden Kinder in der städtischen Schule untergebracht, von den Dienstboten verlassen, haben Edgar und Alice nur sich und geben sich gegenseitig die Schuld für ihre Misere. Alice wäre gerne Teil der Gesellschaft; Edgar bezeichnet die Nachbarn jedoch als Schufte und Idioten, mit denen er sich nicht abgeben will. Angesichts der täglichen Langeweile, Einsamkeit und wachsenden Unzufriedenheit scheint das einzige Ventil der beiden zu sein, sich zu attackieren und ihren Hassgefühlen freien Lauf zu lassen. Ob Alice und Edgar sich je geliebt haben? Kaum vorstellbar, wenn man sich die Lieblosigkeiten anhört, die sie sich entgegenschleudern.
Als Edgar in Ohnmacht fällt, nutzt Alice die Gunst der Stunde, um ihn mit Kurt zu hintergehen, was sie ihm später hämisch unter die Nase reibt. Kurt verkommt dabei immer mehr zum Spielball, resp. zur Waffe der beiden. Und wenn es ganz so aussieht, als würde Edgar sterben, meint Alice resigniert: „Er stirbt nie“, darauf Kurt beinahe süffisant: „Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben“. Und wenn Edgar leicht traurig konstatiert: „Ich bin einsam. Immer gewesen. Werde es immer sein“, dann seufzt Alice ganz erfreut: „Ich auch“, als hätten sie endlich eine Gemeinsamkeit entdeckt. In den insgesamt zwölf Runden geht es um die Ehe ganz generell. „Auch eine glückliche Ehe ist ein Schlamassel. Die Ehe ist überhaupt ein Schlamassel“, meint Edgar und gesteht: „Ich wollte sie öfters ermorden. Eine jede Ehe züchtet Mordgedanken“. Doch als er kurz vor der Abreise Kurts nach einem Zusammenbruch gelähmt und in seiner Sprachfähigkeit eingeschränkt ist, hält Alice zu ihm und verspricht: „Ich harre treulich dein“.

Die Ehe – ein einziger Schlamassel?

Existiert nach all den Jahren dieser Ehehölle gar doch noch ein Funken Liebe? Oder ist die Macht der Gewohnheit stärker als der Wunsch, sich vom Partner zu lösen? Dürrenmatt vermeidet es jedenfalls, Alice oder Edgar die Schuld für den Zustand ihrer Ehe zuzuschieben. Jedoch wird deutlich, wie nahe Liebe und Hass beieinander liegen können. Die Berliner Inszenierung zeigte aber auch, wie wenig es für hervorragendes Theater braucht: Exzellente Schauspieler, ein sprachlich guter Text und die Fähigkeit, diesen als Geschichte zu erzählen. Dass dabei die Textbücher auf den Tischen wie selbstverständlich eingebunden wurden, war ein zusätzlicher Pluspunkt bei dieser gelungenen Aufführung, für die sich das Publikum mit Standing Ovations bedankte.

Deutsches Theater Berlin: „Play Strindberg" von Friedrich Dürrenmatt
weitere Vorstellung: 8.4.22, 20.09 Uhr
TAK, Schaan

www.tak.li
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