"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Walter Gasperi · 12. Dez 2021 · Theater

Leichthändig verspielt und dennoch engagiert – Erich Kästners „Pünktchen und Anton“ als Weihnachtsstück am Vorarlberger Landestheater

Eine klar aufgebaute Geschichte, zwei gegensätzliche Milieus, ein bestens aufgelegtes Ensemble, treffliche Kostüme und eine ebenso einfache wie wunderbar variierbare Bühne machen das heurige Weihnachtsstück zu einem herzerwärmenden Vergnügen für Jung und Alt.

Als Roman erschien Erich Kästners "Pünktchen und Anton" 1931, wurde aber noch im gleichen Jahr kurz vor Weihnachten auf die Bühne gebracht. Zwei Verfilmungen folgten ebenso wie eine Comicversion, eine Kinderoper und ein Musical. – Einen echten Klassiker hat sich das Vorarlberger Landestheater als Weihnachtsstück damit ausgesucht.
Geplant war dieses Stück freilich schon für letztes Jahr, doch fielen die Aufführungen dem Lockdown zum Opfer. Auch heuer folgte auf die Premiere am 20. November eine dreiwöchige Pause aufgrund des neuerlichen Lockdowns, doch nun sollte sich dieses Stück zu einem echten Renner entwickeln.

Fokus auf sozialer Ungleichheit

Auf Aktualisierungen hat Regisseurin Catharina May weitgehend verzichtet. Wenn von Geld die Rede ist, geht es so um Mark und das großbürgerliche Milieu von Pünktchens Familie gehört sichtlich ins Deutschland der frühen 1930er Jahre. Doch dieser Zeitbezug bleibt so reduziert, dass auch jedes Kind problemlos den aktuellen Gehalt erkennt.
Dazu verhilft auch die Figur des Zeigefingers (Luzian Hirzel), die – wie sie selbst erklärt – keine Rolle im Stück spielt, aber immer wieder kommentierend eingreift und das Thema von der ungerechten sozialen Ungleichheit auf den Punkt bringt und anregt von einer gerechteren Welt nicht nur zu träumen.
Plastisch wird das soziale Gefälle an den beiden Kindern Pünktchen (Maria Lisa Huber) und Anton (Sebastian Schulze) herausgearbeitet. Die einfache aus drei halboffenen Holzhäusern bestehende und fahrbare Bühne von Jennifer Schleif lässt sich so problemlos bald in das geräumige Haus von Pünktchen, bald in die enge und ärmliche Küche von Anton verwandeln. Während es Pünktchen materiell an nichts mangelt, der Vater Direktor ist, die Mutter vor allem ans Shoppen denkt und sich Köchin und Kindermädchen ums Essen und das Mädchen kümmern, muss Anton abends auf den Straßen betteln und sich um die kranke Mutter kümmern.

Ernstes Thema spielerisch-leicht serviert

Deprimierend könnte das leicht wirken, doch durch die leichthändige Inszenierung, den fließenden Szenenwechsel, bei dem immer wieder im Hintergrund im Stil eines Schattenspiels in die Handlung integriert die Bühne umgebaut wird, und die von kräftigen Farben bestimmten Kostüme von Wicke Naujoks wirkt das nie niederschmetternd, sondern trotz des ernsten Hintergrunds immer luftig-leicht.
Ein Vergnügen ist es einfach zuzusehen, wie hier aus den beiden Wohnungen plötzlich ein Tanzlokal mit Discokugel wird, wie der von orangem Hintergrund bestimmte Tag mit Blautönen und einem gelb leuchtenden Mond in die Nacht übergeht, oder wie ein Bett zu einem Floß umgebaut wird, auf dem die beiden Freunde Pünktchen und Anton zu einer großen Reise aufbrechen.
Im Zentrum steht diese Freundschaft, die sich trotz der sozialen Ungleichheit entwickelt und zu der bald auch eine Kriminalgeschichte dazukommt. Schon beim ersten Auftreten erscheint der Bräutigam von Pünktchens Kindermädchen (Nico Raschner) nämlich als zwielichtige Figur und bald wird sich dieser Verdacht erhärten. Mindestens gleichviel Slapstick wie Spannung entwickelt sich aber, als dieser Gauner zur Tat schreitet.

Spielfreudiges Ensemble

Mit sichtlicher Spielfreude und Leidenschaft verkörpern nicht nur Maria-Lisa Huber und Sebastian Schulze die Titelfiguren, sondern hinreißend ist auch Vivienne Causemann als überkandidelte Mutter, Nico Raschner als geschäftiger Vater, der nie Zeit für Pünktchen hat, und herrlich fies als Gauner Robert. Bo-Phyllis Strube überzeugt als Kindermädchen, das hinter der Fassade ein Doppelleben führt, und souverän wechselt Luzian Hirzel zwischen kommentierendem Zeigefinger und der resoluten und sich als wehrhaft erweisenden Köchin Berta.
Weil hier von Schauspiel über Bühne bis zu Kostümen alles zusammenpasst, einzig der Musikeinsatz vielleicht etwas zu spärlich und zu wenig prägnant ausfällt, ergibt sich ein ausgesprochen runder Theaterabend oder Theaternachmittag, bei dem neben Spannung und Spaß auch die Botschaft nicht zu kurz kommt, die aber nie mit erhobenem Zeigefinger vorgetragen wird, sondern sich ganz selbstverständlich aus der Erzählung ergibt.