Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Manuela Cibulka · 27. Dez 2021 · Theater

„Frida - Viva la Vida" - ein Interview zur Premiere am 30.12. im Vorarlberger Landestheater

Kurz vor dem Jahreswechsel erwartet uns die Premiere des von Leopold Huber geschriebenen Monologes „Frida - Viva la Vida" in der Inszenierung von Maria Lisa Huber am Vorarlberger Landestheater. Wir trafen uns vorab mit der Schauspielerin Vivienne Causemann, die die beindruckende Künstlerpersönlichkeit auf die Bühne bringen wird.

Manuela Cibulka: Wie ich erfahren habe, war „Frida - Viva la Vida“ nicht von Anfang an am Vorarlberger Landestheater im Programm. Was hat es damit auf sich?
Vivienne Causemann: Maria Lisa gab den Anstoß dazu – sie hatte sich überlegt, dass sie gerne mal auf der anderen Seite des Regietisches sitzen würde. Als ihre erste Regiearbeit hat sie mir dieses Stück vorgeschlagen und da ich ein wenig süchtig nach meinem Beruf bin, sagte ich natürlich: „Ja klar, so viel spielen wie möglich!“ Dass Außer-Spielplan-Stücke stattfinden, ist schon speziell, aber da wir beide fixe Ensemblemitglieder sind, war es doch etwas leichter, unsere Idee zu
verwirklichen.
M. Cbulka: Nur wenigen Menschen ist Frida Kahlo als Künstlerin kein Begriff und alle, die sie kennen, haben auch ein klares Bild von ihr. Ich habe gelesen, dass unter ihren 143 Werken 55 Selbstporträts sind. Wie wichtig ist es, dem Zuschauer auch optisch diese Frida Kahlo in der Aufführung zu präsentieren.
V. Causemann: Tatsächlich ist es für uns total unwichtig. Wie ich aussehe, steht nicht im Vordergrund, und letztendlich konnten wir uns nicht wirklich damit befassen, da ich einfach auch nicht Frida Kahlo bin. Sich auf der Bühne aber in jene Frida zu verwandeln, die das Publikum kennt, kann schon passieren. Wir spielen stark mit Farbe, alles, was Frida prägt, auf sie einprasselt und auf sie einwirkt, verfärbt sie sozusagen. Das werden wir auch in der Aufführung aufgreifen. Vom Leben bemalt – zu viel möchte ich dazu aber nicht verraten.

Frida Kahlo – „die Selfie-Queen"

M. Cibulka: Sich selbst als liebstes Motiv bzw. als das Motiv, das man am besten kennt abzubilden – das schien Frida Kahlo besonders wichtig. Als Schauspielerin muss man sich zwar sicher besonders gut kennen, aber zur Darstellung bringen sollte man doch meist jemand anderen. Mich würde interessieren, wie du deine Rollen anlegst.
V. Causemann: Maria meinte einmal, es wäre wie „die Seele von Frida Kahlo auf die Bühne zu stellen“, und so arbeiten wir uns auch ein wenig ab an ihr – was ist dieser Mythos jener Frida, die sich permanent selber darstellt und ins Zentrum rückt? Würde sie heute leben, hätte sie möglicherweise tausende Bilder von sich aufgenommen oder gar online gestellt und nicht umsonst wird sie manchmal auch als die erste "Selfie-Queen" bezeichnet. Für mich als Spielerin sind meist die inneren Prozesse – nachzuempfinden, warum eine Figur handelt wie sie handelt – das erste, mit dem ich mich beschäftige, da ich meine Figur verteidigen muss. Das passiert schon beim lauten Lesen und geht dann im Laufe der Proben immer tiefer. Das, was ich für mich bei Frida noch entdecken muss: Woher kommt diese Inszenierung ihrer selbst und auch eine gewisse Hysterie, die damit verbunden ist.
M.Cibulka: Ihren Status als Ikone Mexikos haben aber nicht nur ihre farbenprächtigen Bilder sondern auch ihr schicksalhaftes Leben, geprägt von Krankheit und Leid, ihre zahlreichen Liebschaften und ihre zweimalige Hochzeit mit Diego Rivera begründet. Was denkst du, war in ihrem Leben und dadurch vielleicht auch für ihre Kunst wichtiger: das Leid oder die Leidenschaft?
V. Causemann: Im Text, der auf Tagebucheintragungen basiert, gab es schon sehr viel Männergeschichten und wir fragten uns anfangs, ob das alles auch stimmen kann. Gemeinsam und in Absprache mit dem Autor Leopold Huber haben wir den Text soweit verändert, dass wir auf Kunstgriffe möglichst verzichten, da ihr Leben sowieso schon spannend genug ist. Es war uns sehr wichtig, so wenig Fiktion wie möglich in den Text zu packen und neben ihren Beziehungen vermehrt ihre politischen Ansichten, ihre Position zum Kommunismus, ebenso in den Fokus zu rücken und in die Aufführung einfließen zu lassen.
M. Cibulka: Und die körperlichen Beschwerden – wie zentral werden diese für eure Bühne sein?
V. Causemann: Die körperlichen Leiden, die sie wirklich immer ausgehalten hat und an denen sie fast gestorben wäre, diese Verkrüppelung, aus der sie sich aufgerichtet hat, war sicher sehr prägend. Uns ist es wichtig, diese körperlichen Schmerzen darzustellen, da ich glaube, dass sie ihr Leben lang aus diesem Schmerz heraus agiert hat. Wenn man Videos von ihr sieht – es gibt ganz wenige davon – ist ihre körperliche Versehrtheit schon sichtbar, und gerade in der jetzigen Probenphase setzten wir uns stark mit der Darstellung derselben auseinander. Sie muss entweder unfassbare Schmerzen gehabt haben oder auf Drogen gewesen sein.
M. Cibulka: Denkst du, dass ihr Schaffen Resultat dessen war?
V. Causemann: Ich denke ihr Schaffen resultiert daraus, viel alleine gewesen zu sein. Sie hat immer alleine gemalt, um nicht alleine zu sein. Das fand ich einen sehr interessanten Aspekt in meiner Beschäftigung mit ihr. Sie hat sich bewusst in diesen Zustand versetzt, um Gesellschaft zu haben mit ihren Bildern, um mit ihnen in den Dialog zu treten.
M. Cibulka: Deine starke Auseinandersetzung mit ihr – war das schon vor deiner Arbeit an dem Stück der Fall oder hat deine Annäherung erst in der Probenphase begonnen?
V. Causemann: Das hat mit dem Stück begonnen und das ist es, was ich an meinem Beruf liebe. Jedes Mal, bei jedem Stück, lernt man ganz neue Dinge. Bei den Proben zu „Wir reden über Polke, das sieht man doch!“ war ich im Grossmünster in Zürich und musste beim Anblick der von ihm gestalteten Glasfenster beinahe weinen, und jetzt bei Frida war ich in der Fondation Beyeler (Anm.: in der aktuellen Ausstellung „Close up“ werden Werke von Frida Kahlo gezeigt) und hatte das Gefühl, diese Frau zu kennen. Ein wenig lagert sich immer von der zu spielenden Person ab, aber das wird um so näher die Premiere rückt natürlich stärker. Manchmal passiert es mir aber auch jetzt schon, dass ich fernab der Bühne unbewusst humple. Ich habe (wie) Frida Kahlo auf jeden Fall wahnsinnig zu lieben gelernt.

Frida Kahlo – die Feministin

M. Cibulka: Neben der Kunst, dem Leid und der Leidenschaft steht sie – wie du es schon angesprochen hast – für politisches Engagement und kämpferischen Einsatz für Tabuthemen in der Gesellschaft und wird seit Beginn der 70er Jahre als zentrale Figur der Frauenbewegung stilisiert.
V. Causemann: Als Feministin sehe ich sie nicht wirklich. Aber was heißt schon Feministin. Sie wurde als Junge erzogen und hat sich selber – vor allem in jungen Jahren – nicht als Frau positioniert, sie hat nicht dezidiert für Frauenrechte gekämpft, sondern wurde mehr vereinnahmt und als Vorbild genutzt. Als Frau in der Kunst war es sehr schwer und auch wenn sie manchmal auf Granit gebissen hat, hat sich sie sich nicht so viel sagen lassen. Damit ist sie ja vielleicht dann doch eine Feministim – vor allem für damalige Verhältnisse.
M. Cibulka: Liegen dir solche starken Frauen besonders?
V. Causemann: Eigentlich reizen mich diese ganz schwachen Figuren schon auch sehr – ich meine damit nicht, dass man diese Charaktere wie „ein nasser Fisch“ oder ein sogenanntes „Weibchen“ anlegen muss, aber eine Verletzlichkeit, die gerade darin ihre Stärke erlangt, erlebe ich als besonders spannend. Frauen, die sich rausgraben müssen und nicht einfach so dastehen und bereits schon sind. Wir müssen Frauen nicht immer in dieser maskulinen Form darstellen, um sie stark sein zu lassen und für mich wäre solch eine Rolle sicher spannend, da ich es doch gewohnt bin, in die Kraft zu gehen. Letztendlich suche ich mir aber – egal wen ich verkörpere – immer einen Grund, warum meine Figur so agiert, wie sie agiert und ob sie dann so oder so ist – es ist einfach ein Mensch und das ist das Wichtigste.
M. Cibulka: Seit der Spielzeit 2019/2020 bist du Mitglied am Vorarlberger Landestheater. Hast du bereits Erfahrung mit einem Ein-Frau-Stück oder wird es für dich das erste Mal sein, dass du alleine auf der Bühne stehst?
V. Causemann: Ja, ich stand schon einmal alleine auf der Bühne. Das Stück heißt „King Kong Vivienne" und ist, noch bevor ich nach Vorarlberg gekommen bin, in Zusammenarbeit mit einer Regisseurin in Wien entstanden. Es ist zum Teil autobiographisch und enthält viele feministische Texte. Eine Premiere gab es noch nicht, lediglich zwei öffentliche Proben. Die Bühne zu füllen ist nicht so meine Angst. Stärker sehe ich die Verantwortung im Vorfeld, da es wirklich ein gemeinsames
Erarbeiten ist und man dadurch viel mitträgt.
M.Cibulka: Regie führt wie gesagt deine Schauspiel-Kollegin Maria Lisa Huber und für die Bühne zeichnet sich Ramona Bereiter verantwortlich. Mit Maria Lisa stehst du gerade auch in „Pünktchen und Anton“ auf der Bühne. Wie einfach oder auch weniger einfach war es, die Rolle der Regie klar von der Rolle der Schauspielerin zu trennen bzw. war das vielleicht gar nicht so wichtig?
V. Causemann: Wir waren zusammen sehr kreativ. Ich bringe mich mehr ein und unterbreche auch öfter, was ich sonst nicht machen würde. Bei zwei bzw. drei Köpfen ist das aber natürlich auch etwas anderes, als wenn sechs Spieler:innen sich ständig einbringen würden. Manchmal wechseln wir auch die Rolle bei bestimmten Bewegungen, um Dinge klarer werden zu lassen. Ramona war in die ersten Probenphase sehr stark eingebunden und jetzt war sie viel mit der Bühne beschäftigt. Es ist aber immer wieder hilfreich, wenn jemand mit einem Blick von außen dazu kommt.

Premiere 30.12.21, 19.30
weitere Aufführungen
7.1., 4.3., 5.3., 6.3., 8.3.,12.3.22, 19.30 Uhr
11.1.22, 18 Uhr
4.3., 8.3.22, 11.30 Uhr

Theater am Kornmarkt, Bregenz
www.landestheater.org