Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Ingrid Bertel · 22. Sep 2021 · Theater

Freud bleibt draußen

Das Landestheater eröffnet die Spielzeit mit der antiken Tragödie „König Ödipus“.

Über die Wand der Hinterbühne flimmern binäre Codes. Ein Adler breitet seine Schwingen aus. Ein paar Fragmente aus dem berühmten Sirtaki von „Alexis Sorbas“ erklingen. Johannes Lepper gelingt ein Überraschungsmoment, schlüssig und bildstark. Aber warum marschieren alle mit Kellnertabletts in den Händen über die Bühne? Auch der Priester (Niko Raschner), der da kreidebleich mit aufgerissenen Augen verkündet, welche Katastrophen die Stadt heimsuchen? Er werde sich um sofortige Problemlösung kümmern, verkündet großspurig König Ödipus (David Kopp). Den weiteren Verlauf der Geschichte kennt jedes Kind: Der Übeltäter ist Ödipus selbst, und er wird draufkommen, dass er seinen Vater ermordet und seine Mutter geheiratet hat.

„Erkenne dich selbst!“

„Für mich ist er schuldig“, sagt David Kopp. Außerdem sei der Vatermord ja nicht der einzige. Und dann: Dass er mit seiner Frau, die ihm doch am nächsten steht, darüber nie gesprochen habe.
Auf Freudianische Deutungen verzichtet diese Inszenierung. Es geht um einen Krimi, und jede*r trägt sein Scherflein bei zur Auflösung des Falls. Teiresias (Manfred Böll) ebenso wie die naive Hirtin (Elke Maria Riedmann), die von Johannes Lepper gegendert wurde. Iokaste (Vivienne Causemann) betet indessen zu Apoll. „Erkenne dich selbst!“ ist auf dem Apollo-Tempel von Delphi zu lesen, und diese Aufforderung steht im Zentrum der Inszenierung: Ödipus stellt sich ihr.

Ödipus als Dialog mit „der Bürgerschaft“

Wer Selbsterkenntnis erwartet, versteht wohl nicht viel vom Menschen, könnte man einwenden. Aber so pessimistisch will diese Inszenierung nicht sein. Wir seien doch angewiesen auf Selbsterkenntnis, betont Lepper mit Blick auf die Klimaziele. Deshalb inszeniert er König Ödipus als Dialog mit „der Bürgerschaft“: das Publikum wird direkt angesprochen, und zwar nicht von einem Chor, sondern von Einzelpersonen. So gelingt ein schlüssiges Ensemblestück mit packenden Bildern und der atmosphärisch überzeugenden Live-Musik von Oliver Rath.

Weitere Termine
25./30.9. und 1./3.10., jeweils 19.30 Uhr
www.landestheater.org