Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Anita Grüneis · 12. Sep 2021 · Theater

„Das Leben und Sterben des Julius Cäsar“ im TAK – In den Sand gesetzt

Kaum ein römischer Staatsmann ist heute noch so berühmt wie Julius Cäsar. Er herrschte über das römische Imperium, eroberte das heutige Frankreich, hatte eine Affäre mit der ägyptischen Königin Kleopatra - und sagte über sich selbst: „Veni, vidi, vici“ („Ich kam, ich sah, ich siegte“). William Shakespeare hat ihm das Stück „The tragedy of Julius Caesar“ geschrieben, der Autor und Übersetzer Helmut Krausser hat davon eine konzentrierte Fassung erarbeitet, Oliver Vorwerk inszenierte dieses modernisierte Werk im TAK zur Saisoneröffnung. 

Der Zuschauerraum ist vernebelt, auf der Bühne steht ein schwarzes Sofa auf einem roten Sand-Teppich. Im Hintergrund eine Garderobe mit vielen Kleidern, daneben ein Durchgang, in dem ein Vorhang voller Glitzerfäden hängt. Ein Mann tritt in einen Lichtkegel und zitiert aus Shakepeares „Richard II“ eine düstere Prophezeiung. "Die Teilung ist das Schlimmste, was dem Menschen zufallen kann", meint er und wenig später Ich bitte euch, flehe euch an, wehrt diesem Anfang, lasst es nicht so werden.“ Ein Trommelwirbel schreckt das Publikum auf, dann treten fünf Männer in seltsamen Flohmarkt-Gewändern auf die Bühne und singen: When you walk through a storm, hold your head up high und wie wir alle bereits wissen, walkt niemand alleine, wenn er hope in his heart hat. Vertrauensvoll in die Zukunft blicken – das ist das Ziel dieser Männergesellschaft, deren Welt Regisseur Oliver Vorwerk aber vom Anfang an auf Sand gebaut hat. Offenbar traut er dem singseligen Männerbund nicht und weiß genau, dass dahinter ein nüchternes Kalkül um den Machtanspruch lauert.

Cäsar muss weg

Und so ist es denn auch. Wir schauen zu, wie sich vier der fünf ihr gemeinsames Feindbild heranzoomen und sich einig sind: Cäsar muss weg, er laste wie ein Koloss auf der Welt. Soldat Cassius in Gummistiefeln berichtet von einem Wettschwimmen im Tiber, bei dem Cäsar um Hilfe gewinselt habe. Dieser schwache Mann ist jetzt ein Gott und Cassius am Arsch, beklagt er. Oliver Reinhard macht aus seiner Erzählung einen wundersamen Theater-Moment an diesem ansonsten eher grimmigen und lautstarken Abend. Cäsar ist bei Volker Metzger ein Mann in Weiß, ein Schönling, der gerne fette Männer um sich scharen möchte, wobei nicht plausibel wird, warum eigentlich. Weil es so im Stück steht und ein schönes Zitat ist? Später wird sich Volker Metzger einen weißen, bodenlangen weiten Mantel überziehen, der mit weißen Tüllrüschen gefüttert ist. Doch aus dieser merkwürdige Königsmantel macht ihn nicht wirklich zu einem Despoten, er ist eher ein Choleriker, der aus dem Stand um sich toben kann und konstatiert: Was Götter wollen, kann das vermieden werden von uns Menschen? Selbstverliebt dreht er die Krone in seinen Händen, rollt die Augen und erinnert dann doch etwas an Klaus Kinski selig. 

Sandspiele der Großen

Das Komplott der Männer gegen den Tyrannen nimmt seinen Lauf. Dabei wird viel über Macht geredet und es fällt schwer zu glauben, dass hier wirklich um die Freiheit eines Volkes gekämpft wird. Auch Brutus von Philip Heimke, im dunkelroten Kostüm mit sehr weitem Hosenrock, hat anscheinend im Hinterkopf schon den Machtanspruch. Bei den Komplott-Gesprächen auf dem Sofa wird gerne Bier oder Rotwein getrunken – oder auch mit dem roten Sand gespielt. Rot ist die beherrschende Farbe dieses Abends, dazu passt auch Soldat Cassius in seiner roten Hose und dem schwarzen Netz-T-Shirt wie auch Casca, den Andy Konrad im wadenlangen rötlichem Faltenrock als grimmigen Zeitgenossen zeigt. Meist sitzt er breitbeinig auf der Couch, raucht viele Zigaretten und darf Cäsar mit einer Pussy Riot Kapuze im Schlaf heimsuchen. Ein kleiner Kostüm-Außenseiter ist Marc Anton von Julian Härtner. Er trägt gelbe Schlabberhosen, ein weißes Hemd mit gelber Krawatte und einen grauen Mantel. Später wird er das weiße Hemd gegen ein schwarzes Shirt tauschen - auch seine Unschuldszeit ist vorbei.  Frauen spielen bei dieser Bündelei keine Rolle, auch wenn Julian Härtner kurz die Portia, Brutus Gattin, mimt und davor Philip Heimke als Cäsars Frau Calpurnia zu erleben ist. 

Alles nur eine Show

Die Sandspiele der Männer erreichen ihren Höhepunkt, als Cäsar mit Sand beworfen und so sein Tod imaginiert wird. Roter Sand – rotes Blut. Später wird ein kleines Zelt auf dem Sandplatz stehen und Cäsar geistert mit Mikrofon zu Brutus ins Zelt. Brutus und Cassius fetzen sich nochmals ordentlich, zerfleddern dabei ihre Freundschaft und landen im Sand. Wieder ist eine Macht im Sand verlaufen. Im Hintergrund wartet Marc Anton mit lässiger Sonnenbrille und hält dann seine große Rede, in der er immer wieder die Größe von Cäsar beschwört und betont: Doch Brutus sagt, dass er voll Herrschsucht war, und Brutus ist ein ehrenwerter Mann. Das Mantra frisst sich dabei selbst, denn in dieser Inszenierung von Oliver Vorwerk gab es keine ehrenwerten Männer, nur machtgeile Ränkespieler in Verkleidungen (Kostüme Alexander Grüner). Zum Schluss singt die Musikerin Karin Ospelt, die den ganzen Abend mit Trommelwirbeln und feinem Geraune bereichert hat, hinter dem Glitzervorhang am Klavier You never walk alone. Sie ist alleine. Das Premierenpublikum applaudiert begeistert.