Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Dagmar Ullmann-Bautz · 19. Aug 2022 · Theater

Ein Spiegelbild unserer Zeit – UNPOP spielt „Antigone. Ein Requiem“ von Thomas Köck

Der Wettergott hat es gut gemeint, als gestern Abend, nach sturzflutartigen Regenfällen, ab 20 Uhr kein Tropfen mehr fiel und die Premiere von „Antigone. Ein Requiem“ von Thomas Köck im Dornbirner Kulturhauspark über die Bühne gehen und gefeiert werden konnte. Das Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung, kurz UNPOP, hatte die richtigen Berater und ihr Optimismus wurde belohnt. Schließlich passt diese Geschichte auch perfekt in diese Arena, die in ihrer Form an das antike griechische Theater erinnert, in dem meist politische Themen verhandelt wurden.

Sprachwitz und kluge Kompositionen

Der Autor Thomas Köck gehört zu den meistgespielten und ausgezeichneten österreichischen Dramatikern. Seine Sprache, sein Sprachwitz, seine klugen Kompositionen überzeugen. So auch seine Bearbeitung der griechischen Tragödie „Antigone“ von Sophokles, die der Autor selbst als Rekomposition bezeichnet und damit schon klarstellt, dass sein Stück weit mehr ist, als nur eine sprachliche Aktualisierung. Die Leichen, die an Thebens Strände gespült werden, der Tyrann Kreon, der lächelnd seine Slim-Fit-Interpretation von Demokratie propagiert, der Friede, den das Volk einfach nur in der eigenen Stadt haben will, das Wegschauen und Weghören – jede Szene, jeder Satz spiegelt unsere Welt. Man lacht und verschluckt sich fast dabei.

Ein klares Statement

Ein Bagger fährt auf die Spielfläche und stochert, schaufelt zwei-, dreimal im Kleiderberg, der an Schlussverkauf oder an Abfallberge, an Überfluss und Zerstörung erinnert, herum. Das ist das Bühnenbild von Caro Stark, das in seiner Einfachheit große Geschichten erzählt und ein klares Statement darstellt. Ebenso stimmig in der Gesamtkonzeption die weißen Kostüme, jedes genau angepasst an die Figur.

Wesentliches herausgeschält

Die Antigone von UNPOP kommt ohne große Aktionen aus, lebt von einem sehr guten Text und wunderbaren Schauspieler:innen, von einer Inszenierung, die auf Witz setzt, der die Ernsthaftigkeit ertragen lässt. Regisseur Stephan Kasimir versteht es wunderbar, die wesentlichen Momente des Stückes herauszuschälen und freizustellen.

Ein großartiges Ensemble

Die Schauspieler:innen sind es, die einen in den Bann ziehen und fast zwei Stunden lang nicht mehr loslassen. Jeanne-Marie Bertram überzeugt als Antigone mit jugendlicher Wahrhaftigkeit, die Hoffnung keimen lässt. Man hängt an ihren Lippen, mag sie anfeuern, wenn sie sich mit Kreon ein Wortgefecht liefert. Kreon, der kleine aberwitzige Tyrann, wunderbar von Ronald Kuste dargestellt, erklärt Demokratie und meint Alleinherrschaft. Das Verschwinden der Demokratien in unserer Zeit kann deutlicher nicht benannt werden. Wie immer versteht es Maria Fliri, hier in der Rolle des Boten, ihr komödiantisches Talent einfach großartig ohne Übertreibung auszuspielen, immer absolut sicher auf des Messers Spitze zu balancieren. Simon Alois Huber als Haimon und Nicola Trub als Eurydike bilden ein ruhiges Fundament in dieser Inszenierung und erzeugen auch damit Spannung pur. Teiresias, der blinde Seher, der in seinem Leben sowohl den männlichen als auch den weiblichen Körper, die männliche als auch weibliche Sichtweise erleben durfte beziehungsweise musste, wird von Peter Badstüber wunderbarer gespielt. Man glaubt ihm die Klage über den männlichen Körper als tristes Verlies, emotionale Kälte und Traurigkeit einerseits und das Glück und die Freude am Frausein andererseits. Last but noch least Julia Carina Wachsmann als Antigones Schwester Ismene, die sich im Laufe der Geschichte von der Beschwichtigerin zur ironischen Kommentatorin wandelt. Herrlich und grausam zugleich ihr sarkastischer Schlussmonolog über die „ein, zwei … Toten“ und ihr beschwingter Abgang zu Voodoo Jürgens „Heite grob ma Tote aus“. Alle Schauspieler:innen agieren auch als Chor, als jammernde und klagende Gesellschaft, die satt und träge alle Verantwortung von sich schiebt.
Ein großer Applaus für eine absolut überzeugende Ensembleleistung!

UNPOP, Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung: "Antigone. Ein Requiem" eine Rekomposition nach Sophokles von Thomas Köck
weitere Vorstellungen: 20./21./22./23./24.8. jeweils um 20.30 Uhr
Kulturhauspark, Dornbirn

Bei Schlechtwetter gibt es eine Indoor-Variante im Freudenhaus Lustenau. Am Aufführungstag ab 17 Uhr wird auf der Homepage darüber informiert.
www.unpop.at