Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Dagmar Ullmann-Bautz · 23. Mär 2019 · Theater

Ein rauschendes Fest der Literatur – bunt, laut, gewagt! Das Landestheater huldigt dem Dreigestirn Bachmann, Celan und Frisch

Eine intensive Begegnung mit der Autorin und Namensgeberin eines der renommiertesten Literaturpreise des deutschsprachigen Raums, Ingeborg Bachmann, sowie den Schriftstellern und Klassikern der Gegenwartsliteratur Max Frisch und Paul Celan versprach das Vorarlberger Landestheaters seinem Publikum. Die gestrige Premiere erfüllte (fast) alle Erwartungen. „Die collagierte Zeit“ benannte Simon Meienreis sein Werk, das er auch selbst inszenierte. Wunderbare Texte, Gedichte und Dialoge von Frisch, Celan und Bachmann hat Meienreis zu einem faszinierenden Stück zusammengebaut und wurde dabei allen dreien absolut gerecht.

Ein mutiges Experiment

Intendantin Stephanie Gräve nannte es ein Experiment und das ist es auch, ein mutiges Experiment, das noch besser funktioniert hätte, wenn es nicht so überbordend mit Bildern, Aktionen und Kostümen überfrachtet worden wäre. Ein alter Mann (einfach großartig: Manfred Böll) erinnert sich, stellt Fragen, fantasiert, sucht nach der Wahrheit, wozu er die Worte von Bachmann, Celan und Frisch zur Verfügung hat.

Privat verbunden

Bachmann und Celan haben sich in ihrer Arbeit aus unterschiedlichster Perspektive und Motivation intensivst mit dem Nationalsozialismus und der Shoa auseinandergesetzt - Bachmann als Österreicherin und Tochter eines Nationalsozialisten und Paul Celan als Jude und Überlebender des Holocaust. Max Frisch hingegen hat sich kritisch und kreativ mit der eigenen Identität und später mit seiner Heimat, der Schweiz beschäftigt. So unterschiedlich die Herkunft dieser drei war, so sehr waren sie einander privat verbunden. Mit Paul Celan verband Ingeborg Bachmann eine tragische Liebesbeziehung. Die Gedichte und Briefe zeugen davon, dass sie weder miteinander leben, noch voneinander lassen konnten. Mit Max Frisch, der so ganz anders war als Paul Celan, lebte Bachmann einige Jahre zusammen, versuchte mit ihm, dem Bodenständigen, eine fast bürgerliche Beziehung.

Berührender Briefverkehr

Der Theaterabend ist in drei ineinandergreifende Teile gegliedert. Jeder ist einem der AutorInnen schwerpunktmäßig gewidmet, aber auch mit Texten der anderen bereichert. Im ersten Teil zu Max Frisch sind Texte aus Gantenbein, Biographie: Ein Spiel, Öderland und andere zu erkennen. Die fantastischen Gedichte von Paul Celan stehen im Zentrum des zweiten Teils und stellen für die Inszenierung natürlich eine besondere Herausforderung dar. Ingeborg Bachmanns Erzählung „Ein Wildermuth“ bildet den Kern des dritten Teils. Als roter Faden durch den ganzen Abend ziehen sich die Briefe, die sich Bachmann und Celan geschrieben haben, veröffentlicht in dem Buch „Herzzeit“.

Hervorragende Schauspieler und Schauspielerin

„Die collagierte Zeit“ ist ein Fest, eine Huldigung der Literatur. Und es sind gerade die ruhigen Momente, die Konzentration auf ein Gedicht, die Briefe, ein kleiner Dialog, die berühren, die in Erinnerung bleiben, die einfach wunderbar sind. Es sind die Schauspieler, die sehr präsent sind, die trotz allerlei Zinnober und Hokuspokus es immer wieder schaffen, die Aufmerksamkeit den Texten, der Sprache zu schenken. Nico Raschner, gerade frisch von der Schauspielschule, sehr gradlinig und klar in seiner Darstellung. Johanna Köster wandelt sicher von einer Figur zur anderen und überzeugt mit einem wunderbar klaren Sprachbild. Großartig in Wort und Spiel ist Tobias Krüger, der auch mit dem kleinen Schlussmonolog aus Bachmanns „Malina“ nachhaltig bewegt.

Weniger, wäre mehr gewesen!

Ausstatterin Mirella Oestreicher hat in die Vollen gegriffen, alles für sich sehr schön, aber insgesamt einfach zu viel. Das Licht von Arndt Rössler ist klassisch, beleuchtet fein die einzelnen Szenen. Die Schwarz-Weiß-Videos von Seraphin Simon sind beeindruckend und gerade darum auch ablenkend von den großartigen Texten. Cornelius Borgolte und Andreas Niedzwetzki haben ein exzellent unterstützendes Sounddesign entworfen und unter die Texte gelegt.

Spannendes Programmheft

Alles in Allem ein sehr besonderer Abend für Menschen, die Bachmann, Celan, Frisch und ihre Arbeit kennen und lieben. Für alle anderen kann es ein spannender Abend werden, wenn sie sich vorher mit den Autoren und ihrer Biografie ein wenig auseinandersetzen. Vor jeder Vorstellung bietet das Theater eine Einführung (19 Uhr), die ich allen BesucherInnen sehr ans Herz lege. Dramaturg Ralph Blase hat ein herausragendes Programmheft zusammengestellt, sehr interessant, informativ und das sich zudem auch noch wunderbar liest.
Das Premierenpublikum applaudierte, teils begeistert, den hervorragenden SchauspielerInnen und dem gesamten Team.

Weitere Vorstellungen:
26.3., 6./12./24.4., 9./12.5., jeweils 19.30 Uhr
Landestheater am Kornmarkt, Bregenz