Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Dagmar Ullmann-Bautz · 06. Jun 2019 · Theater

„ . . . ein bisschen geht noch . . .“ – Grubers Ausloten einer disruptiven Gesellschaftspolitik und die zum Scheitern verurteilten Kompensationsversuche des Individuums

Zum schweißtreibenden Abend für alle Schauspielerinnen und Schauspieler und zu einer großen Herausforderung für das Publikum geriet Martin Grubers Präsentation seiner neuesten Arbeit, die am Dienstagabend im Theater Kosmos seine Uraufführung feierte. „Wie geht es weiter – die gelähmte Zivilgesellschaft“ – so der Titel dieser gnadenlosen Innen- wie Außenschau auf einen österreichischen Zustand. Martin Gruber und Martin Ojster haben gemeinsam mit ihrem Aktionstheater Ensemble, ausgehend von eigenen Geschichten und Erzähltem einen Theaterabend gebaut, der es wirklich in sich hat.

Einsam und überfordert

Die einen schreien sich die Seele aus dem Leib, während die anderen den “schönen“ Künsten huldigen. Sie masturbieren, stopfen Schokolade in sich hinein, saufen und sie sind allein, einsam und überfordert. Martin Gruber zeigt uns ein Menschenpanoptikum, das Angst macht, das abstoßend wirkt. Wie immer geht er den Dingen sehr genau auf den Grund, doch noch nie war es so heavy wie dieses Mal. Natürlich war es auch lustig und unterhaltsam, hier und da, aber das Lachen ist einem immer wieder sehr schnell vergangen.

Durchkomponierter Text

Da sind nichts als alte Autoreifen auf der Bühne und die Schauspielerinnen und Schauspieler tragen sie scheinbar sinnlos hin und her. Einer gibt den Ton an, auf und ab, aber nie sind alle in die Choreographie involviert, immer ist irgendjemand am Rand, immer gibt’s einen Außenseiter. Nicht nur der minuziös durchkomponierte Text auch die großartige Choreographie der Figuren lässt Bilder entstehen, die begeistern, aber auch aufrütteln.

Wunderbares Ensemble

Sechs wunderbare SchauspielerInnen treffen alle genau den Ton und spielen sich tief in die Seelen der Zuschauer. Michaela Bilgeri zieht mit ihrem naiven Charme, ihrer Präsenz immer wieder in den Bann. Maria Fliri, zum ersten Mal beim Aktionstheater, glänzt in ihrer Verzweiflung des Überflusses. Ganz großartig auch Benjamin Vanyek, der mit Schokolade seine Tristesse zu vertreiben versucht, und Thomas Kölle, der Verstaubte. Fabian Schiffkorn, dessen Zufluchtsort das Ötztal ist, und Andreas Jähnert, der Deutsche in der Runde, begeistern mit ihrer Ausstrahlung.

Herausfordernd und provokativ

Pete Simpson betört mit seiner wunderschönen Gesangsstimme. Kristian Musser hat die Musik komponiert und Thomas Bechter ist verantwortlich für das Sounddesign -  herausfordernd, offensiv und provokativ. Auf dem Video von Bildwerk X Valence wächst während des Stückes ein Baum, der am Schluss seine Blätter fallen lässt, was soviel heißt, dass wir im Winter angekommen sind. Eine fröstelnde Erkenntnis, trotz der derzeitigen sommerlichen Hitze.

Großer Applaus

„Wie geht es weiter – die gelähmte Zivilgesellschaft“ begeisterte das Premierenpublikum, das sich mit großem Applaus bedankte. Ein Abend, der nachhallt und im Nachhall noch ganz viele Fragen aufwirft und auf die Verantwortung des Einzelnen pocht. Das Aktionstheater Ensemble hat auch in seinem dreißigsten Jahr wieder einmal die Aufgabe des Theaters, der Kunst an sich, nämlich aufmerksam zu machen, aufzuwecken, Stellung zu beziehen, sehr ernst genommen.

Weitere Termine: 6./7.6., jeweils 20 Uhr, Theater Kosmos, Bregenz