Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Annette Raschner · 03. Sep 2020 · Theater

Die emotionale Temperatur der Krise – aktionstheater ensemble begeistert mit „Bürgerliches Trauerspiel – Wann beginnt das Leben“

Das aktionstheater ensemble ist als schnelle Eingreiftruppe und verlässlicher Seismograf gesellschaftlicher Veränderungen und Bruchstellen bekannt. Aus diesem Grund haben Autor Wolfgang Mörth sowie Regisseur und Ensembleleiter Martin Gruber das bereits im März nahezu fertige Stück "Bürgerliches Trauerspiel - Wann beginnt das Leben" nach dem Lockdown noch einmal zur Gänze überarbeitet und die Krise thematisch in die Auseinandersetzung mit dem Bürgertum integriert. Die Uraufführung fand zum Auftakt des in den Herbst verschobenen "Bregenzer Frühling" im Theater Kosmos statt. Der Jubel des Premierenpublikums war groß. Ähnlich groß wie die Freude darüber, dass Liveaufführungen endlich wieder stattfinden können.

Michaela sinniert über das flüchtige Glück, während Benjamin den Satz "Wir hatten ja so ein wahnsinniges Glück in Österreich" wie ein Mantra immer und immer wieder aufsagt. Angesichts der Krise hegt er nostalgische Gefühle und sieht die Ära der Hochblüte des Bürgerlichen Trauerspiels als Höhepunkt der Schauspielkunst: "Die Bundesregierung hat gesagt, wir müssen gerade jetzt in diesen Zeiten der großen Not die österreichischen Künstler und Künstlerinnen sehr unterstützen. Und jetzt stellen Sie sich mich als Emilia Galotti vor, mit dieser leicht lakonischen Sprache, wie Goethe schon gemeint hat. Und das in dieser Krise jetzt."

Die emotionale Fieberkurve: Sie changiert im Krisenmodus zwischen Sentimentalität, Zorn, Verzweiflung, Egozentrik und dem Wunsch, in einem Wir aufzugehen. Während Thomas betont, keine Tomaten mehr zu essen, seit er gelesen hat, dass sie durch die Mafia viel billiger produziert werden, stellt Michaela stolz ihre "Sharing forward"-Strategie vor. Es bedeutet: ich gebe etwas im Voraus, ohne etwas dafür zurück zu verlangen. Das kommt dann von selber. Ich bringe den Kubanern und Kubanerinnen die Seife, und sie schicken uns in der Krise ihre Ärzte.

Die Bühne ist ein karger Raum. Im Hintergrund befinden sich nur einige rollbare Käfige aus Metall, die als Rückzugsort und als Behältnis funigeren; etwa für schwarze Müllsäcke.

Sängerin Nadine Abada ist die Stimme der Sehnsucht, in Begleitung ihrer Kollegen Kristian Musser und Alexander Yannilos schwillt sie mitunter zornig an. Etwa, wenn Thomas, Michaela und Horst skandieren: "Eine Sprengladung in den Arsch des Finanzkapitals!"

"Die Chance der Kunst liegt darin, Zustände, die da sind, auf einer Metaebene transparent zu machen", sagt Martin Gruber. Man sei als Künstler in der Lage, Stimmungen, die intellektuell nicht erfasst werden können, emotional klar zu machen. Und das ist ihm und seinem aktionstheater ensemble wieder einmal hervorragend gelungen!

aktionstheater ensemble
"Bürgerliches Trauerspiel - Wann beginnt das Leben"
eine Koproduktion mit der Landeshauptstadt Bregenz und dem Landestheater Linz 
Regie: Martin Gruber
Text: Martin Gruber, aktionstheater ensemble sowie Wolfgang Mörth,
Dramaturgie: Andreas Erdmann, Martin Ojster
Musikalische Leitung: Kristian Musser, Nadine Abado, Alexander Yannilos
Bühne, Kostüme: Valerie Lutz
Regieassistenz: Tanja Regele, Hacer Göcen
Mit: Michaela Bilgeri, Horst Heiß, Thomas Kolle, Benjamin Vanjek und Kristian Musser, Nadine Abado, Alexander Yannilos

Bregenz: Do, 3.9., 20 Uhr, Fr, 4. und Sa, 5.9., jeweils 18 und 21 Uhr - Theater Kosmos
Karten: Bregenz Tourismus, T. +43 (0)5574 4080 tourismus@bregenz.at

Wien: Di, 29.9., Mi, 30.9., Do, 1.10, Fr, 2.10., Sa, 3.10., 19.30 Uhr
Werk X, Oswaldg. 35a, 1120 Wien
Karten: T. +43 1 535 3200-11, reservierung@werk-x.at

www.aktionstheater.at