Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Anita Grüneis · 20. Jän 2019 · Theater

Demokratische Momente an der Uni Liechtenstein: Wir sind hervorragende Untertanen

Literaturhaus, TAK Theater Liechtenstein und Universität Liechtenstein spannten für das Projekt „Demokratische Momente“ zusammen. Geschaffen wurde eine „theatrale Rauminstallation“, die an zwei Abenden im ausverkauften Auditorium zu sehen und zu hören war. Es war eine kurzweilige und spannende Geschichts-Stunde.

Das Publikum saß auf Drehstühlen mitten im Raum, rundum warteten Bühnenbilder von Architekturstudierenden auf ihr Bespielt-Werden. Dazu hatten die beiden Schauspieler Evelin Ratering und Ingo Ospelt Textmontagen erarbeitet, die auf dem Buch „Liechtenstein erzählen: Demokratische Momente“ von Roman Banzer, Hansjörg Quaderer und Roy Sommer basierten. In den Mittelpunkt stellten sie zwei Ereignisse: Den Protestmarsch am 5. März 1971, nachdem das Frauenstimmrecht in Liechtenstein knapp abgelehnt worden war, und die Demonstration am 28. Oktober 1992 zur Stärkung der Rechte des Landtags gegenüber den Kompetenzen des Fürsten. Zwei demokratische Momente, die viel über die Befindlichkeit der Liechtensteiner Gesellschaft zur damaligen Zeit aussagten. Beim Zuhören wurde bewusst, dass all das noch gar nicht lange her ist, dass Demokratie ein ständiger Prozess ist, der alle betrifft. 

Es gibt den Glauben an den Fürsten

Elf Themenkomplexe bildeten die Grundlage für die gezeigten Szenen: Courage, Unterdrückung, Untertanen, Autokratie, Schweigen, Bildung, Auflehnung, Sexismus, Besitzverhältnisse, Ratlosigkeit und Aufbruch. Zu diesen Themen hatten die Studierenden jeweils Bühnenbilder erarbeitet, in denen Evelin Ratering die Szenen inszenierte und gemeinsam mit Ingo Ospelt entsprechende Texte vorlas. „Wir haben als Volk den symbolischen Vatermord nie begangen, das heißt, die Autorität der Vaterfigur nie gebrochen“, hieß es da, oder: „Wir als Volk haben nie den Mut oder die Kraft gehabt, etwas durchzuziehen“. Der Untertanengeist gegenüber dem Fürsten wird in vielen Texten deutlich: „Die Leute trauen sich nicht mehr in der Öffentlichkeit das zu sagen, was sie denken, sie haben Angst vor Strafen“, oder „es hat den Glauben an den Fürsten gegeben", „Gott und Fürst hinterfragt man nicht.“ Es gab damals auch die verständnisvolle Haltung, dass der Fürst das Oberhaupt eines Clans ist, für den die Familie alles bedeutet, und dass er daher die Rechte für seine Familie stärken musste. 

Fürstliche Ordnung für die Frauen

„Da bin ich aufgewacht“, las Eveline Ratering und erzählte von der Demo 1971 in Vaduz, in der Vermummte die Schülerinnen und Schüler niederknüppelten, die mit Transparenten für die Ja-Stimmen danken wollten. Eindrücklich auch die graue schräge Wand, die Aleyna Demirel und Sarah Zecic zum Thema „Unterdrückung“ schufen. Sie neigte sich bedrohlich über Eveline Ratering, als sie von der schwierigen Berufswahl für Frauen erzählte: „Wir Frauen sind genauso gescheit wie die Männer. Eigentlich wollte ich Primarlehrerin werden. Aber als Primarlehrerin hätte ich nie eine Chance auf eine Stelle. Solange sie keine Arbeit haben, kann ich keine Stelle wollen“. Stark auch die das dunkle Dreieck von Lina Gasperi und Silva Stecher, das wie ein Damokles-Schwert über Ingo Ospelt hing, als er vom „Schweigen“ las. „'Was denken die Leute?' Das war damals ein wichtiger Satz, den hab’ ich oft gehört“, sagte er, wobei sich die schwarze Hülle langsam über ihn senkte und ihn einschloss.

Es ist ein Riesentumult gewesen

Der „Aufbruch“ von Joseph Stenz und Sabrina Fleisch besteht zu Beginn nur aus einer Säule, an dessen Ende das Wort „Ich“ zu sehen ist. Erst später enthüllt sich das gesamte Bild, dann leuchten Stäbe und an der Säule ist deutlich zu lesen: Es lohnt sICH. Noch einmal wird die Demo in Vaduz in Erinnerung gerufen: „Es ist ein Riesentumult gewesen, Schreiereien, sie haben die Frauen an den Haaren gezogen, haben sie Hexen genannt (...) Wir haben nicht gewusst, was uns alles erwartet. Uns ist aber klar gewesen, dass es Widerstände geben wird (...) dass wir uns nicht wehren dürfen und im Notfall schlagen lassen müssen.“ Nach diesem elften Bild wurde es hell im Raum, die Fensterrollos öffneten sich, Licht strahlte herein, bevor es eindunkelte und der Applaus einsetzte.

Ein starker und lehrreicher Abend, der viel aus der jüngsten Geschichte Liechtensteins zum Besten gab und klarmachte, dass Demokratie ein langer Prozess ist, der durch die neue Verfassung von 2003 massiv geblockt wurde. Zum Thema „Demokratische Momente“ ließen sich gewiss noch weitere Abende konzipieren.