Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Anita Grüneis · 13. Feb 2020 · Theater

Das Altern als Thema im TAK - Szenen eines Heims

«Das Dritte Leben» beherrschte einen Abend lang das TAK. Mit diesem Stück gastierte das Vorstadttheater Basel im Schaaner Theater. Eigentlich ist das Altern ein natürlicher und selbstverständlicher Vorgang. Aber heute, wo alles marktgerecht sein muss, wird auch das Altern zum heiß diskutierten Thema. «Alle möchten alt werden, aber kosten soll es nichts», so brachte es der 62-jährige Psychoanalytiker und Schriftsteller Peter Schneider auf den Punkt.

In seinem kurzen Referat amüsierte er sich über die Namensgebung von Kinderhorten und Altenheimen, die für Kinder zum Beispiel «Chäferhuus» heißen und für Senioren «Sunneschy». Ein Name wie «Tannenrausch» sei da schon eine große Ausnahme, meinte er schmunzelnd, oder das Alterszentrum «Sydefädeli» - wenn das Leben eben nur noch an einem seidenen Faden hängt. Peter Schneider ging kurz auf die Kostenfragen von Krankenkassen und AHV ein und betonte, dass die Politik hier sehr gefordert sei um alte Menschen nicht wie Kinder zu behandeln.

Altersheime sind Zwangsgemeinschaften

Ueli Blum, Dramaturg am Vorstadttheater Basel, berichtete über die Hausproduktion  «Das dritte Leben», die mit dem Autor Jens Nielsen (Träger des Schweizer Literaturpreises 2017) entwickelt wurde. Vieles wurde ausprobiert und vieles wieder verworfen. Zudem sei es für 40-Jährige nicht einfach gewesen, 80-Jährige zu spielen. Dabei half ein Trick. Sein Fazit zum Thema Altern: man soll sich von der Vorstellung verabschieden, dass es eine Generallösung gibt. Man müsse die Diversität im Alter akzeptieren. Allerdings sei ein Altersheim eine Zwangsgemeinschaft wie eine Schulklasse.  

Ein Altersheim mit viel Musik und Tanz

Wie amüsant und kurzweilig die «Szenen eines Heims» sein können, bewiesen im Anschluss die fünf Darsteller des Vorstadttheaters Basel. Eine lange Bank, die auseinandergenommen werden konnte, reichte als Bühnenbild – klug gelöst von Fabian Nichele. Darauf, darüber und dahinter ließ Regisseur Matthias Grupp mit seinen fünf Darstellern ein Altenheim entstehen. Dazu schufen die fünf Wesen mit ihrem Loriot'schen Knollennasen und den weiß gepuderten Haaren Individuen, die jeder kennt – den Störrischen, die Wehmütige, die Geschwätzige, den Aufschneider, die Vergessliche, den Neinsager, die Ängstliche usw., sogar ein Gigolo war dabei. Gina Durler, Samuel Kübler, Florian Müller-Morungen, Alexander Maria Schmidt, Bea Nichele-Wiggli boten eine unglaubliche Ensemble-Leistung, jeder stützte den anderen im jedem Sinne des Wortes. Sie schufen Individuen, die jedem im Publikum vertraut waren. Das war die Oma, die Uroma, der Opa, die Mutter.

Just beat it und Bad Guy

Da gab es Szenen zum Lachen – wie die Missverständnisse um einen Hund inklusive der Frage, ob er auch rauche. Da gab es rührende Telefon-Dating-Szenen, bei dem die Anruferin offenbar schlecht hörte. Und da wurde gebadet – alle setzten sich flugs Badekappen auf und stürzten sich in die imaginären Fluten. Dann wieder standen alle am Bühnenrand und sangen «In einem kühlen Grunde», doch bevor die Tränen der Rührseligkeit kamen – auch beim Publikum, verwandelten sich die Alten in Zombies und thrillerten. Just beat it! Dann wieder schrie ein Hypochonder nach einem Doktor – und ein Mitbewohner spielte ihm auf der Mundharmonika das «Lied vom Tod» vor. Auch J. S. Bachs «Komm süßer Tod» hatte Platz in diesem Stück.
Zu alledem passte der furiose Schluss: Ein Roboter kam ins Heim und schickte die Bewohner zum Pipi-Machen. Da mussten sie alle erst mal tief durchatmen, das sollte die Zukunft sein? Ihre Antwort: ein furioser Tanz zu Billie Eilishs «Bad Guy».
Dieses «Das dritte Leben» war ungemein kurzweiliger, amüsanter und tiefsinniger Theaterspaß, der Lust auf das Altern machte, ohne die Nachteile zu verschweigen. Altwerden ist eben nicht schön. Aber wer nicht alt werden will, muss früh sterben.