Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Anita Grüneis · 28. Nov 2021 · Theater

Alles ist Plüsch – ob digital oder real. Ein Covid-19 Care Paket der besonderen Art im Triesner Gasometer

«Je mehr Masken aufgesetzt wurden, desto mehr fielen» - das war einer der markanten Sätze des Stückes «Alles ist Plüsch», das von dem «Fiesen Matenten Kollektiv» in Kooperation mit dem TAK Theater Liechtenstein und dem Gasometer Kulturzentrum Triesen produziert wurde. An der Premiere zeigte sich, wie frisch und unterhaltsam, wie galgenhumorig und tiefgründig das Thema «Corona» sein kann – wenn man es so anpackt, wie es diese Liechtenstein/Wiener Truppe getan hat. 

In den letzten zwei Jahren ist viel passiert – soviel, dass die ganze Welt darüber seufzt. Grund genug, um ein Stück daraus zu kreieren, dachten die Schauspieler:innen Christiani Wetter, Claudia Carus und Benjamin Kornfeld, sowie die Regisseurin Katrin Hilbe und die Ausstatterin Martina Morger. Sie recherchierten die vielen Aspekte zum Thema «Corona-Pandemie» und entwickelten aus all dem eine Performance mit Show-Charakter und theatergerechten Einschüben. Eine Collage, die unsere heutige Zeit im realen wie auch im digitalen Leben perfekt widerspiegelt. Denn vieles wird anders, wenn sich die bisherige Normalität als fragil erweist und sich jeder Mensch neu orientieren muss – ob er das will oder nicht.

Von der digitalen zur realen Welt und zurück
Das begann an diesem Abend schon damit, dass jeder im Gasometer Eintretende gefilmt und jede Erscheinung kommentiert wurde. Im Innern war das Geschehen auf der großen Wand zu sehen und dazu das Publikum als Scherenschnitt – ein Bravo der Lichtgestaltung von Stefan Marti. Auf eine Leinwand projizierte Fakten und Statements holten das Publikum dann zu einer Reise durch die bisherigen Monate mit Corona ab. Und schon landeten alle in der Zoom-Ära – da versuchte die Schriftstellerin für Erziehungsfragen sich online gegen ihr (unsichtbar) rebellierendes Kind zu behaupten, selbst als die Spaghetti in ihren Haaren hingen behielt sie die Contenance (Bravo Christiani Wetter). Für das Kick-off Meeting hatte der Manager alle Zahlen und den unerschütterlichen Optimismus parat (Bravo Benjamin Kornfeld) und die sich um einen Job bewerbende Dame behielt in allen Stress-Situationen die Nerven, wenn auch zusehends derangiert (Bravo Claudia Carus).
Nach diesem digitalen Einstieg standen plötzlich die realen Figuren vor der kleinen Bühne mit der Lametta-Umrahmung und zeigten auf, wie sich unser Alltagsleben seit der Pandemie verändert hat. Was ist ein Virtual Date? Und wie ist es dann, wenn man sich nach Monaten des Chattens plötzlich real gegenübersteht? Beginnt dann die echte Beziehung? «Wir sind viel wirklicher als im wirklichen Leben» heißt es dazu im Stück und «ich wünschte, ich könnte dich küssen, aber wir müssen verantwortungsbewusst bleiben».

Unsere Normalität ist fragil
Das Leben mit Corona hat alles verändert. Genau das thematisiert dieser Abend. Und dabei kamen alle zu Wort, trotzdem wurde niemand bloßgestellt. Ob das Impfbefürworter oder Verschwörungsanhänger waren, ob Neugeborene, deren Geburt nicht gefeiert werden kann oder 80-Jährige, die ihr Ende nicht mehr ausleben dürfen – sie alle erhielten an diesem Abend eine Stimme, die nachdenklich machte, aber niemanden verurteilte. Der Abend zeigte den tiefen Spalt in unserer Gesellschaft, in der das Denunziantentum wieder gesellschaftsfähig wurde – schließlich dient man mit einer Anzeige der unerlaubten Party von nebenan der Volksgesundheit! Er zeigte aber auch, wie sich die Menschen in der kleiner werdenden Welt einrichten. So waren die YouTube-Fitness-Übungen des kurzbehosten Benjamin Kornfeld ein absoluter Spaß. Oder er als penetranter Reporter, der aus dem Liechtensteiner Ex-Regierungschef (Christiani Wetter) etwas Sensationelles herauskitzeln will, während jener  mit stoischer Gelassenheit von seiner Arbeit spricht. Nichts wie hin zu diesem kurzweiligen, amüsanten und zugleich nachdenklich stimmenden Theaterabend, bei dem sogar Corona  zu einem «Covid-19 Care Paket» wird, bei dem die Darsteller:innen zu  «It’s my life» allen Frust abtanzen und in dem von einem Frühling in Berlin gesungen wird, der an ihre Türe klopft und das alles wie Nicoles «ein bisschen Frieden» klingt (Bravo: Musik Markus Jakisic). Und ein extra Bravo für die perfekte Regie von Katrin Hilbe. Das ist Theater, zeitnah, abgründig, mit viel Humor und voller Leben.
Zum Schluss buzzern die drei Akteure das Publikum mit Konfettibomben ins Finale und lassen alle Seufzer alt aussehen, denn der stimmige Untertitel der Produktion lautet: «Ein Leben in Seufzern». Das Leben bleibt trotz allem eine plüschige Wohlfühloase (Bravo Martina Morger für die Ausstattung), wenn wir es zulassen. Es ist eben immer alles eine Frage der Perspektive. «Wenn die letzten fünf Jahre ein exaktes Abbild der nächsten fünf Jahre sind  - wäre das für Sie ein Jackpot oder würden Sie in Tränen ausbrechen» - diese Frage werfen die «Fiesen Matenten» ins Publikum. Zweimal 20 Sekunden Zeit zum Nachdenken reichten nicht aus für eine Antwort – da hilft nur ein nochmaliger Besuch.

Weitere Vorstellungen
Fr, 03.12. und Sa, 04.12.,  20 Uhr
Gasometer, Triesen
www.gasometer.li