Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Silvia Thurner · 10. Jän 2022 · Musik

Worte, Schnipsel, Geplärr und reizvoller Jazz – Ensemble Kuhle Wampe strengte beim Neujahrsjazzfestival die Gehirnzellen und die Nerven an

Das Ensemble Kuhle Wampe hat sich in den letzten Monaten und mit dem Erscheinen seiner ersten CD einen Namen gemacht. Nun war das Ensemble in kleiner Besetzung mit Christian Reiner (Stimme), Leonhard Skorupa (Saxophon), Mike Tiefenbacher (Keyboard und Klavier), Tobias Vedovelli (Kontrabass) und Christian Eberle (Drumset) beim Neujahrsjazzfestival am Feldkircher Saumarkt zu Gast. Das originelle Programm, in dem pointierte Kommentare, zugespielte Samples und Stimme gesellschaftspolitische und -kritische Statements in die Musik einbauten, zeichnete das Konzert aus. Die überbordende Dichte von Wort, Musik und Bühnenperformance war einesteils bewundernswert, andernteils ein Hemmschuh.

„Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt“ ist ein dokumentarischer (Arbeiter-)Film aus dem Jahr 1932, bei dessen Drehbuch auch Berthold Brecht mitgewirkt hat. Bewusst nimmt das gleichnamige Jazz-Ensemble mit sozialpolitischen und gesellschaftskritischen Kompositionen eine Haltung ein und bringt diese künstlerisch originell zum Ausdruck.
Kein Geringerer als der Schauspieler und Sprecher Christian Reiner interpretierte mit stimmakrobatischen und sängerischen Qualitäten die vielschichtigen Kompositionen, die allesamt von den Ensemblemitgliedern Leonhard Skorupa, Mike Tiefenbacher und Tobias Vedovelli stammten.
Live dargebotene und zugespielte Sprachfloskeln erklangen vielgestaltig in den musikalischen Fluss eingebettet und gaben die inhaltlichen Konturen zum Weiterdenken vor. Beispielsweise im Stück „Grenzen“, in dem mittels eingestreuter Phrasen von Sebastian Kurz zeitkritische Bezüge zur Flüchtlingspolitik geschaffen wurden. Das Werk „Arbeit“ fokussierte mit Perspektive ändernden Brüchen die Lebensmittelindustrie. Verbindungen zum aktuellen politischen Geschehen wurden im Werk „Die Hure der Reichen“ geschaffen. In weiteren Kompositionen, wie „Kuhpitalismus“ sowie im spannend entwickelten Stück „Babyelefant im Assassement Center“ machten die Ensemblemusiker deutlich, dass sie mit ihrem individuellen Humor über Dinge, die unsere Gegenwart bewegen, auch lachen können. In Erinnerung blieb darüber hinaus das flächig komponierte Stück „Bukkake Sake“.

Überbordende inhaltliche Fülle

Christian Reiner setzte mit vielerlei Techniken, von wispernd ausgeführten Passagen über Scatgesang, in atemberaubendem Tempo gebrabbelten Lauten, Kehlkopfgesang und seiner über weite Strecken auch kraftvoll instrumental geführten Stimme die Werkinhalte in Szene. Als Solist agierte er auf der Bühne äußerst körperbetont gestikulierend, ständig in Bewegung und dabei hibbelig überreizt wirkend. Genau hierin lag ein Handikap des Konzertes im Feldkircher Saumarkt. Denn die dichten Kompositionen, angesiedelt zwischen Jazz und Neuer Musik, Rock, Funk und Improvisation, in denen sich Leonhard Skorupa (Saxophon), Mike Tiefenbacher (Keyboard und Klavier), Tobias Vedovelli (Kontrabass) und Christian Eberle (Drumset) virtuos austobten, wurden dadurch unnötig und allzu sehr in den Schatten gestellt.
Die dichte Werkfolge bot während des gesamten Konzertes keine Entspannung oder Möglichkeit zur Reflexion. Diese Überfrachtung mit semantischen und musikalischen Inhalten und die expressiv akrobatische Deutung blieb nicht ohne Emotion. Zumindest in meinem Wahrnehmen äußerte sich diese Überforderung mitunter auch in Ablehnung.

Tipp
Das Ensemble Kuhle Wampe extended hat im August 2021 bei „waschsalon records“ ein Album publiziert, in dem die Sprache, Stimme und Sprechakrobatik sowie die Musik in einem weit günstigeren Verhältnis zueinander stehen.

Link zur CD-Rezension von Peter Füssl:
https://www.kulturzeitschrift.at/kritiken/cd-tipp/ensemble-kuhle-wampe-extended

www.kuhlewampe.com