Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Anita Grüneis · 20. Jän 2022 · Musik

Der Herr der Blockflöte und seine Gefährten

Maurice Steger gastierte gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester bei den TAK-Weltklassik-Konzerten und begeisterte das Publikum, nicht nur mit seinem virtuosen Blockflötenspiel, sondern auch als Dirigent.  Vor mehr als 25 Jahren hatte Maurice Steger sein Debut beim Zürcher Kammerorchester, damals spielte er unter anderem Vivaldis „Flautinokonzert". Aus der gemeinsamen Arbeit entwickelten sich in der Folge viele Projekte, wie beispielsweise die Kinderkonzerte KiKo. Um die langjährige Zusammenarbeit nun zu feiern, gingen der Solist und das Orchester auf Tournee und machten, nach je einem Konzert in Luzern und Zürich, Halt in Vaduz. Im Gepäck hatten sie ein abwechslungsreiches Programm – es reichte von J.S. Bach über Arvo Pärt bis hin zu Wolfgang Amadeus Mozart.

Schon die ersten Töne von Johann Sebastian Bachs Concerto nach italienischem Gusto", in einer Fassung für Blockflöte und Orchester, machte klar, dass es an diesem Abend keine ruhige Nachtmusik geben würde. Der furiose Einstieg forderte eher zu einem rasanten Tanzabend auf. Und Maurice Steger zeigte sofort, dass er ein temperamentvoller Herr der Blockflöte" ist – in jeder Beziehung. Er sprach nicht nur durch sie, er tanzte mit ihr und ihren Tönen. Das klang manchmal ein wenig schrill, dann  wieder zornig oder aufbrausend, aber auch betörend und charmant. Er  gab stets das Tempo vor und schien mit seiner unglaublichen Spiellust die Musiker:innen anzutreiben.

Die englischen Maskentänze

Beim zweiten Stück, den Maskentänzen" aus dem 17. Jahrhundert, dirigierte Maurice Steger zu Beginn das Orchester, bevor er dann mit seiner Altflöte die Töne angab. Die Klänge führten das Publikum in die Shakespeare-Zeit, in der die Maskentänze bei Hof beliebt waren, wovon eine repräsentative Auswahl überliefert wurden. In der Interpretation des Zürcher Kammerorchesters konnte das Publikum erahnen, welche Lebensfreude die Menschen damals an solchen Bällen empfunden haben mussten. Auch an diesem Abend sprühte das Temperament der Musiker und das von Maurice Steger ganz besonders. Mit seiner Flöte erzählte er  Geschichten von liebestollen Fauns und kecken Hasardeuren und alles klang leicht, beschwingt und unbeschwert. Dabei verschlug sein unglaublich virtuoses Spiel dem Publikum fast den Atem. Hat er die Flöte wirklich zwischen den Lippen? Ist das live, fragte man sich unwillkürlich bei seinem furiosen Spiel, das doch immer präzise und exakt im Timing war.

Der atemberaubende Barock

Das gleiche Empfinden stellte sich später beim Stück Concerto per flauto B-Dur" von Antonio Vivaldi ein. Wieder ein rasanter Auftakt mit der Blockflöte und dann fabrizierte Maurice Steger Töne, die nicht in Noten geschrieben werden können, die aus der Lust am Spiel und der Leidenschaft für das Instrument geboren und mit ihrem Meister auf eine musikalische Weltreise gingen. So etwas kann nur er, das machte ihn zum Weltstar mit der Blockflöte, der man nie viel zugetraut hat, die immer nur als Anfänger"-Instrument für Kinder galt. Maurice Steger befreite sie von ihrem Image und wurde dabei zum Herrn der Blockflöte“. Mit seiner Kunst ließ er bei diesem Vivaldi Stück ein großes Klangspektrum aufblühen, wobei die Blockflöte sehnsuchtsvoll tönen konnte wie ein Cello oder wehmütig wie eine Geige. Das Publikum reagierte entsprechend begeistert. Als Zugabe spielte Maurice Steger zwei kurze Stücke von Georg Philipp Telemann und wieder jagte der Musiker seine Flöte zu Höchstleistungen und verlor trotz aller Rasanz nie seine Genauigkeit und Ausdrucksstärke. Noch einmal gab es vom Publikum Begeisterungsstürme.

Ein Krimi und eine kleine Nachtmusik

Ein weiteres Highlight des Abend war Arvo Pärts Fratres", das Maurice Steger dirigierte. Dabei schickte er das Publikum mit dem Zürcher Kammerorchester auf eine meditative Reise. Eine dicht gewebte Musik, die aber leicht daherkam, ein Gespinst von Klängen, das mit der Dauer des Hörens immer dichter wurde, sich immer mehr näherte, plötzlich drängte und forderte, bevor dann helle Geigentöne beschwichtigten und die Klänge der Hölzer wieder an das Anfangsthema erinnerten. Und dann schien sich alles zu entfernen, die Töne wurde leiser und fragil und das Publikum lauschte und lauschte bis alles ganz still war und ein erstes Klatschen die Stille durchbrach. Ein wahrhaft atemberaubendes Erlebnis, dieses Werk von Arvo Pärt, ein echter Krimi aus dem 20. Jahrhundert zwischen all den Klängen rund um die Barockzeit.
Zum Schluss durfte sich das Publikum noch von Mozarts «kleine Nachtmusik» berauschen lassen. 

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