Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 23. Jän 2022 · Musik

Rollen des Konzertierens sowie Musik und Malerei in eine spannende Symbiose gesetzt – die Wiener Symphoniker wurden stürmisch gefeiert

Kompromissbereit zeigten sich die Wiener Symphoniker. Anstatt das dritte Bregenzer Meisterkonzert wie andere kurzerhand abzusagen, kürzten sie das angekündigte Programm und traten zweimal an einem Abend auf. Der Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada und die Musiker:innen wirkten fröhlich gelaunt, alle gemeinsam kommunizierten ausgelassen und energiegeladen miteinander. Das waren die besten Voraussetzungen für die Darbietung der „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky. Auch Haydns „Sinfonia Concertante“ gestalteten die vier Solisten Anton Sorokow (Violine), Christoph Stradner (Violoncello), Paul Kaiser (Oboe) und Patrick de Ritis (Fagott) packend aus.

Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ zählen nicht umsonst zu den berühmtesten Werken der klassisch-romantischen Literatur. Die Musik ist bildhaft angelegt, leicht nachvollziehbar und führt die Zuhörenden unmittelbar hinein in die musikalisch gedeutete Ausstellung von Arbeiten des Malers Wiktor A. Hartmann. Ihm zu Ehren hat Modest Mussorgsky das eingängige Werk komponiert. Maurice Ravels Orchestrierung verleiht der ursprünglich für Klavier geschaffenen Komposition einen spektakulären Glanz. Vielgestaltig und klangfarbenreich stellten die Wiener Symphoniker die Musik in den Saal des Bregenzer Festspielhauses.
Andrés Orozco-Estrada und die Wiener Symphoniker legten die „Bilder einer Ausstellung“ sehr plastisch an, mit beeindruckend scharfen Konturen, wunderbar vielfältigen Klangfarben, in rasendem Tempo und wirbelnd ineinander verwobenen Passagen, hymnischen und choralartig getragenen Passagen und vor allem mit gut nachvollziehbaren rhetorischen Spielarten. Das geradlinig eingeleitete Thema der Solotrompete kündigte eine archaisch kräftige Tongebung an, in die das Hauptthema der „Promenade“ gebettet erklang. Virtuos, bildhaft und sofort mitten ins Geschehen hineinführend, setzten die Musiker:innen „Gnomus“ in Szene. Die ausgeklügelte dynamische Gestaltung der Themenführungen bewirkte schöne Perspektivenwechsel. Sie zeichneten den Weg des Betrachters durch die Ausstellung hervorragend nach und trafen den für die einzelnen Abschnitte typischen Charakter. Die Ornamentik im Abschnitt „Das alte Schloss“ verbreitete eine mystische Atmosphäre. Eindringlich formten die Musiker:innen den Abschnitt „Samuel Goldenberg und Schmuyle“, in dem die Gegensatzpaare des selbstbewussten Goldenberg und des nervös ‚kuschenden‘ „Schmuyle“ musikalisch dargestellt wurden. Sakral und klangmächtig zugleich gestalteten die Wiener Symphoniker die „Catakombae“ aus, bevor das Werk mit wirkungsvoll aufgebauten Klangtürmen im Bild „Das große Tor von Kiew“ abgeschlossen wurde. André Orozco-Estrada leitete das Werk in einem guten Kontakt zu den Musiker:innen und sehr energiegeladen.

Geistreiches Geben und Nehmen

Joseph Haydns „Sinfonia Concertante” bot den Solisten aus den eigenen Reihen, Anton Sorokow (Violine), Christoph Stradner (Violoncello), Paul Kaiser (Oboe) und Patrick de Ritis (Fagott), viele Gelegenheiten, sich zu profilieren. Jeder für sich und alle gemeinsam nutzen die variantenreihen Themenführungen für ein ausgelassenes Spiel miteinander. Die gute Kommunikation der vier Solisten ließ jedem seinen individuellen Freiraum. Mit viel Spielfreude wurden Themen, Motive und einzelne Phrasen weitergereicht. So verflochten die Musiker Frage- und Antwortmotive sowie Aufforderungen und Erwiderungen zu einem wirkungsvollen Ganzen. Spannend war zudem die Rollenverteilung der Solisten zum Orchester zu erleben. Während sich das Solistenquartett im Eröffnungssatz langsam aus dem Orchesterganzen heraus entwickelte, zelebrierten die vier Solisten die unterschiedlichen Instrumentenkombinationen im feinsinnig dargebotenen Andante. Soli und Tutti und ein humorvolles Wetteifern bestimmten das Finale, das die Solisten gemeinsam mit dem Orchester voll auskosteten.
Das Meisterkonzert war kurzweilig und verströmte eine mitreißende Energie. Beim Publikum lösten die Werkdeutungen große Begeisterung aus.