"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Silvia Thurner · 28. Mai 2015 · Musik

Wo sind Frau Perchta und ihre verlorenen Kinder? – Ein atmosphärisch dichtes Musiktheater von Christof Dienz

Im Kulturhaus Dornbirn ging Annie mit zahlreichen Volksschülerinnen und –schülern auf die Suche nach „den verlorenen Kindern“ und traf dabei allerlei freundliche und düstere Gestalten aus der Tiroler Sagenwelt. Im Auftrag der Jeunesse hat der Tiroler Komponist Christof Dienz das Musiktheater „(K)eine Alpensage“ komponiert. Die ansprechende und fantasiereiche Musik interpretierten er selbst und das hierzulande bestens bekannte Klarinettenduo Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm. Im Mittelpunkt spielte, erzählte und sang Anna Clare Hauf als Annie die geheimnisumwobene Geschichte in der Regie von Ela Baumann. Die Kinder waren mit Geräuschmachern in das Geschehen eingebunden, indem sie Wind, Wasser, Holz und Steine klanglich erlebbar machten. Die Atmosphäre der Musik und die hartnäckig fragende und suchende Annie waren beeindruckend, wenngleich der etwas abrupte Beginn der Geschichte, die Lebenswelt von Annie und die zeitlich über einen weiten Zeitraum gesteckte Handlung nicht unmittelbar nachvollziehbar waren.

Christof Dienz hat die Musik zur "Alpensage", die nicht unbedingt eine sein will, vielgestaltig und mit den hervorragenden musikalischen Partnern Petra Stumpf und Heinz-Peter Linshalm umgesetzt. Annie, die Hauptprotagonistin, ist fest entschlossen, Frau Perchta und die verlorenen Kinder - von denen ihr ihre Oma vorgesungen, die aber noch kein Mensch je gesehen hat – zu finden. Bei unterschiedlichen Personen und Figuren aus der Tiroler Sagenwelt fragt sie nach und hat dabei unheimliche, schöne und bedrohliche Erlebnisse.

Insgesamt war es für die Kinder wohl etwas schwierig der Geschichte zu folgen, vor allem auch deshalb, weil Sagen und Figuren aus dem Tiroler und Salzburger Alpenraum hierzulande kaum bekannt sind. Überdies war es müßig, die Reise aus der tradierten alpinen Sagenwelt in die Gegenwart – mit Anspielung auf die moderne Zivilisation und den Tourismus – ziehen zu wollen.

Ein Hornschlitten im Zentrum


Anna Clare Hauf spielte die unbeirrbare Annie, die von einem zum anderen geschickt wird, jedoch nie eine zufriedenstellende Antwort auf ihre dringliche Frage nach den verlorenen Kindern erhält, mit viel Gespür für den Sprachfluss und die Textverständlichkeit. Die teilweise rapartig skandierenden Wortrhythmen verliehen dem Erzählfluss Tempo, die Lieder und Gesangspassagen unterstrichen die jeweilige Stimmung der Szenen. Das Regiekonzept von Ela Baumann positionierte die Protagonistin ins Zentrum des Geschehens und so konnte sie sich auch frei zu den Kindern hin bewegen und sich zu ihnen setzen. Als Bühne diente ein 'Horner', der zugleich eindrucksvoll, jedoch auch etwas statisch wirkte.

Bewegungsmuster und Klangbilder


Getragen wurde die Handlung, in deren Verlauf viele unterschiedliche Sagen und Legenden angeklungen sind, von der Musik. Christof Dienz hat vor allem die Atmosphäre und die Energie des Handlungsverlaufes musikalisch ins Szene gesetzt. Die Anspielungen auf die Volksmusik hielten sich in wohltuenden Grenzen. Viel mehr als auf Melodien und für die Volksmusik typische harmonischen Fortschreitungen setzte Christof Dienz auf Rhythmen, Bewegungsmuster und auf vielfarbig illustrierende Klangbilder. Dazu schöpfte er aus einem großen Fundus, der ihm unter anderem Fagott, Klarinette, Bassklarinette, Zither, Maultrommel, Glocke und andere Klanginstrumente, Geräuschmacher und Spieltechniken boten. Emotionsgeladen wurden einzelne Sagengestalten dargestellt und musikalisch eindrucksvoll nachgezeichnet.

Wenig eigenes Spiel, viel Botschaft


Dass die Kinder zum Mitmachen eingeladen waren und mit Klappern, Luftröhren, Shakern und anderen Utensilien Geräusche von Wind, Regen, Graupel, Hagel, Wasser und rollenden Steinen imaginieren konnten, war eine schöne Geste. Allerdings wirkten die Aktionsanweisungen etwas „aufgesetzt“ und ergaben sich wenig aus einem eigenen Spieltrieb heraus. Das Stück als „interaktive Klanggeschichte“ zu beschreiben, trifft deshalb den Kern des an sich gelungenen Musiktheaters nicht.

Die Botschaft des Stückes kam sicher an. Obwohl Annie von den anderen ständig vertröstet und herumgeschickt wurde, ihr niemand eine Antwort geben wollte oder konnte, sie sogar gewarnt wurde und auch negative Erfahrungen machen musste, ließ sie sich nicht von ihrem Ziel abbringen. Sie fragte und fragte und fragte, eben weil sie motiviert war, mehr zu erfahren und diese Erkenntnis lässt sich hervorragend in die Gegenwart übertragen.

 

Samstag, 30. Mai 2015, Remise Bludenz, 15 Uhr
„(K)eine Alpensage“ – Musiktheater für Menschen ab 6.
Petra Stumpf, Heinz-Peter Linshalm Klarinette; Christof Dienz, Komposition, Fagott und Zither; Anna Hauf, Schauspiel; Ela Baumann Text und Dramaturgie.