„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Silvia Thurner · 21. Mär 2019 · Musik

Wiederentdeckungen mit Nachhall und vergeblicher Liebesmühe – das vierte Bregenzer Meisterkonzert war zweigeteilt

Im Rahmen der Bregenzer Meisterkonzerte gastierte das Orchestra della Toscana mit seinem dynamischen Chefdirigenten Daniele Rustioni im Bregenzer Festspielhaus. Mitgebracht hatten die Musikerinnen und Musiker vier Kompositionen, deren Werkdeutungen letztlich ein zweigeteiltes Konzerterlebnis ergab. Auf der einen Seite begeisterte die Geigerin Francesca Dego mit dem zweiten Violinkonzert von Mario Castelnuovo-Tedesco und weiters stellte das Wiederhören der fünften Sinfonie von Felix Mendelsohn Bartholdy ein echtes Hörerlebnis dar. Andererseits bestätigte das sperrige „Appunti per un Credo“ von Giorgio Federico Ghedini, dass nicht alle Werke wiederentdeckt werden müssen und Respeghis „Tre Corali“ waren letztlich nichts mehr als Instrumentationsübungen.

Francesca Dego präsentierte dem Bregenzer Publikum mit dem zweiten Violinkonzert des italienischen Komponisten Mario Castelnuovo-Tedesco eine wahre Rarität, die in mehrerlei Hinsicht Aufmerksamkeit erregte. Sogleich zog die Solistin mit einem sonoren, warmen Klang in tiefen Lagen die Zuhörenden in ihren Bann. Sie entfaltete die unterschiedlichen Themencharaktere mit viel Klangvarianz, musizierte in einem engen Austausch mit dem Dirigenten und reichte ihre Themen in einem mitteilsamen Spiel an die Orchestermusikerinnen und -musiker weiter. Auf diese Weise entwickelte sich eine plastisch modellierte Musik. Das Duett der Violine mit der Harfe bot im Eröffnungssatz einen feinsinnigen Höhepunkt.
Die von jüdischer Musik inspirierte Themen, versetzt mit den unterschwelligen Tongruppen in den Blechbläsern und der Pauke, bewirkten im langsamen Satz eine unterschwellige Spannung. Danach entfaltete die besondere Instrumentierung, die auch ein Klavier integrierte, eine markige Note. Francesca Dego unterstrich die Rhythmik des Finalsatzes mit einer virtuosen Bogentechnik, beeindruckend kristallisierte sie den Solopart immer wieder aus dem immer dominanter werdenden Orchesterklang heraus.
Das Orchester war Francesca Dego ein guter Partner, flexibel reagierten die Musikerinnen und Musiker auf die solistischen Passagen und Themenführungen. Einen wesentlichen Anteil daran hatte auch der Dirigent Daniele Rustioni, der die dynamischen Kontraste sehr bedacht auf den Violinsolopart abstimmte.
Castelnuovo-Tedesco war der Lehrer eines der erfolgreichsten Filmmusikkomponisten unserer Zeit, John Williams. Daran erinnerten Francesca Dego an der Violine und Daniele Rustioni am Klavier mit dem feinfühlig dargebotenen Hauptthema aus dem Film „Schindlers Liste“.
Felix Mendelssohn-Bartholdys fünfte Sinfonie ist ein eigenartiges Werk, das Katharina von Glasenapp in ihrer Einführung als „geistliches Konzert für Orchester“ gut charakterisierte. Spannend legte das Orchestra della Toscana die Werkdeutung an, die ganz auf den Finalsatz abzielte. Kontrastierend dargestellte Stimmungen und eine hervorragende Steigerung mit einem ausbalancierten Orchesterklang zeichneten den Eröffnungssatz aus. Mit spielerischer Leichtigkeit loteten die Musikerinnen und Musiker die Gewichtungen im Allegro aus, um sodann dem Andante eine stringente Wirkung zu verleihen. Fulminant und mit kontrapunktischer Raffinesse wurde im Finale der Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ in den Saal des Bregenzer Festspielhaus gestellt.
Daniele Rustioni leitete die Musikerinnen und Musiker mit einer ausgeprägten Körpersprache, wirkte sehr präsent im Geben der Einsätze und kommunizierte humorvoll und motivierend. Diese Spielart verlieh der Werkdeutung einen mitteilsamen Geist.

Schließlich doch noch aus der Reserve gelockt

Sperrig und eher wenig inspiriert wirkte die Komposition „Appunti per un Credo“ des italienischen Komponisten Giorgio Federico Ghedini. Markige Gesten und eine blockartige dynamische Anlage verliehen der Musik einen archaischen und theatralischen Touch. Darüber hinaus verlangte die Instrumentierung dem Orchester eine große klangliche Brillanz ab. Diese konnten die Musikerinnen und Musiker des Orchestra della Toscana jedoch nicht von Anfang an bieten. Einen ausgewogenen Orchesterklang durch die einzelnen Stimmregister hindurch erreichte das Orchester zwar in den „Tre Corali“ von Ottorino Respighi und so gesehen war es für die Ausführenden wohl erbaulich, die transkribierten Choralpräludien von Bach zu spielen. Für mich als Zuhörerin stellte das Werk jedoch nicht mehr als eine in diesem Rahmen entbehrliche Instrumentationsübung dar.
Das von geistlicher Musik durchwirkte Konzertprogramm wollte Daniele Rustioni dann doch nicht für sich alleine stehen lassen. Und so gab es als Zugabe noch Rossinis Ouvertüre zum „Barbier von Sevilla“. Damit lockte der quirlige Dirigent dann die Zuhörenden doch noch aus der Reserve.