Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Anita Grüneis · 24. Mär 2019 · Musik

1. Liechtensteiner Jazzfestival: Von heimelig familiär bis zu wuchtig international

Alle waren begeistert vom ersten Liechtensteinischer Jazz-Festival – das Publikum, die Künstler und vor allem auch die Organisatoren. Immerhin galt es, zehn Konzerte mit sehr unterschiedlichen Klangspektren an zwei Tagen und zwei verschiedenen Lokationen durchzuführen. Zudem war frühlingshaftes Wetter, würde sich da genug Publikum finden? Es fand sich. Sowohl die Tangente in Eschen als auch das TAK in Schaan waren sehr gut besucht.

Mit diesem ersten Jazz-Festival sollte der Umfang der aktiven Liechtensteiner Jazz-Szene aufgezeigt werden. Die Bedingung für eine Teilnahme war, dass zumindest die Bandleader selbst Liechtensteiner sind, von dort stammen oder dort wohnen. Insgesamt nehmen 42 MusikerInnen teil. Dabei waren bereits arrivierte Jazzer wie Gregor Hilbe oder Markus Gsell ebenso dabei wie der jüngste der Szene, der Gitarrist Manuel Elias Büchel.
Die Vielfalt zeigte sich auch bei den Aufführungen. Es gab den kleinen, eher familiären Rahmen und das wuchtige Konzert für ein internationales Publikum. Am Ende dieser zwei Tage waren sich alle einig: Die Liechtensteiner Jazz-Szene hat sich gefunden, neue Kontakte sind entstanden, erste gemeinsame Auftritte wurden abgemacht. Die Organisatoren werden nach einem Debriefing entscheiden, wie und wann es weitergeht. Dabei ist eine Biennale sehr gut denkbar.
Das Publikum kam an diesem Jazzfestival voll auf seine Kosten, es konnte den Bigband-Sound ebenso genießen wie den Free Jazz. Auch die jüngsten Jazzer der Szene wurden viel beachtet, wie die Sängerin Karin Ospelt aus Vaduz und der Gitarrist Manuel Elias Büchel aus Ruggell.

Kunstlied und Minimal Music

Die 30-jährige Karin Ospelt ist eine Allround-Künstlerin – sie schreibt ihre eigene Musik, singt ihre Songs selbst, hat bildende Kunst studiert, malt und produziert experimentelle Radio-Hörstücke. Außerdem unterrichtet sie. Basis für alles ist die Musik. Und so klingen ihre Songs denn auch manchmal wie kunstvolle Gemälde, die sie mit Noten skizziert und mit ihrer Stimme, dem besten Instrument, das ihr zur Verfügung steht, malt. Ihre Stimme ist wandlungsfähig und hat eine starke Höhe. Im Grundton schwingt immer ein bisschen Melancholie mit, dadurch wirken ihre Songs zurückhaltend wie Kunstlieder. Sie scheinen aus der Stille zu kommen und kehren dahin zurück. Für ihren Auftritt beim ersten Jazz-Festival im TAK hat sie sich zwei Begleiter mitgenommen, mit denen sie seit rund vier Jahren konzertiert: Florian Krause am Schlagzeug und den Organisten und Pianisten Pio Schürmann, beide aus Basel. Gemeinsam traten sie als „Pioneer plant“ auf, weil „heute so viele entwurzelt sind und wie Pionier-Pflanzen neue Standorte finden müssen“, wie Karin Ospelt bei ihrer Anmoderation meinte. Sehr interessant an diesem Konzert war ihr Solo-Stück „You won’t let me in“, in dem sie immer wieder neue Loops aufnimmt, zu denen sie dann zu improvisiert. Manchmal erinnert ihre Musik an die Minimal Music aus den 70er Jahren, die in ihrem kunstvollen Kokon bleibt und sich nicht anbiedert. 

Der schräge Büchel ist der Hirsch

Ganz anders klingt es beim Gitarristen Manuel Elias Büchel aus Ruggell mit seiner Band „Balduin Hirschsteins Hypervitaminose“. Zu Beginn wollte er Augenbinden verteilen, weil das Sehen die Konzentration auf die Musik beeinträchtige. Er hat wohl vergessen, dass geschlossene Augen ausreichen. Schon bei den ersten Klängen wurde klar, dass auch Manuel Elias Büchel ein Freund der Minimal Musik ist, aber ganz anders als Karin Ospelt. Er schafft mit seiner Band psychodelische Klänge, zu denen die Augen wirklich am besten schweigen, um ganzkörperlich auf diesem Meer von Klängen zu schwimmen oder darin einzutauchen. Und wie in einem richtigen Meer gibt es sowohl unterhalb als auch oberhalb vieles zu entdecken. Immer wieder bilden die Töne der Gitarre von Manuel Elias Büchel und dem Cello von Sara Käser die Basis, die meist ruhig ist, sich aber auch kräuselt, und auch mal ein kleines Beben verursachen kann. Dem gegenüber setzt Raphael Loher am Klavier klare Akzente, wird auch mal sehr behutsam oder donnert los. Auch Domenico Catalano setzt mit seiner Bassposaune Spuren in diesen Klangwogen. Und immer, wenn dieses Meer langweilig zu werden schien, gab es einen winzigen Wechsel im Rhythmus oder in der Melodie. Schon war die Spannung wieder da, die Reise in unbekannte Welten ging weiter.

Das abrupte Ende

Manchmal redete Bandleader Büchel zwischen den Stücken, erzählte, wer heute Geburtstag hat und was sonst an diesem Tag irgendwann mal passiert ist. Er referierte über den Namen seiner Band und erzählte, dass der Hirschfaktor eine Kennzahl für das weltweite Ansehen eines Wissenschaftlers in Fachkreisen ist. Und dass in München ein traditionelles hölzernes Bierfass mit dem Fassungsvermögen von 200 Litern als „Hirsch“ bezeichnet wird, weil ein Hirsch etwa soviel wiegt. So schräg wie seine Erklärungen, sind meist auch die Enden seiner selbst geschriebenen Stücke: plötzlich und unvermittelt. Das müsste man ihm verbieten, denn so ein hartes „An-Land-gespült-Werden“ aus den Büchel'schen Klangmeeren hat kein Mensch verdient.