Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Peter Füssl · 16. Mär 2019 · Musik

Umwerfende Melange aus Hip-Hop und Bigband-Jazz – Yasmo & Die Klangkantine präsentierten ihr neues Album am Dornbirner Spielboden

Dass sich Hip-Hop und Jazz wechselseitig inspirieren und in spannenden Begegnungen regelmäßig zu musikalischen Spitzenproduktionen führen, weiß man schon seit Guru und Jazzmatazz Anfang der 1990-er Jahre und in jüngster Zeit verstärkt durch die Aktivitäten von Flying Lotus, Kendrick Lamar, Thundercat oder Kamasi Washington. Im deutschen Sprachraum leistete hier die Jazzkantine Wesentliches, und – um endgültig in alpenländische Gefilde zu wechseln – auch schon das erste Album von Yasmo und die Klangkantine aus dem Jahr 2017 zeitigte in dieser Hinsicht beachtliche musikalische Ergebnisse und brachte der Wiener Rapperin und Wortkünstlerin nicht zufällig eine „Amadeus“-Nominierung ein. Mit dem aktuellen Nachfolgealbum „Prekariat und Karat“ haben die beteiligten Akteure nun aber offenbar zu einem neuen Selbstverständnis gefunden, das sich am gut besuchten Spielboden in einer enormen Spielfreude und einer auf das Publikum ansteckend wirkenden Begeisterung ausdrückt.

Die Klangkantine – weit mehr als eine Begleitband

In den stärksten Momenten klingt die Klangkantine als hätte man Earth, Wind & Fire, die J.B.‘s und eine erstklassige Prog-Rock-Band durch den musikalischen Fleischwolf gedreht – ein funkensprühender Orkan aus röhrenden Saxophonen (Benjamin Daxbacher, Andreas Lindenbauer), heißen Blechbläsern (Markus Pechmann, Georg Schrattenholzer), der über die Tastatur fegenden Keyboarderin Anna Maurer, dem kraftvoll antreibenden Schlagzeuger Reinhard Hörschläger, dem stilvoll, aber effektiv agierenden Gitarristen Ralph Mothwurf und dem aus Hohenems stammenden Tobias Vedovelli, dessen pumpende Basslinien zuverlässig den Weg über Ohr und Magengrube in die Beine der zur Bewegung geneigten Hörerschaft finden. Die beiden Saitenmeister teilen sich die Credits an den Kompositionen, wobei die grundlegende, zum Tanzen auffordernde Hip-Hop-Funk-Jazz-Linie immer mal mit fein gesponnenen Passagen durchsetzt wird, und sich das Gebotene somit niemals in dampfend-stampfender Langeweile erschöpft. Was die Dame und die Herren so alles draufhaben, demonstrierten sie auch im Alleingang ohne Frontfrau anhand einer längeren musikalischen Achterbahnfahrt, die hohe Qualität und Unterhaltungswert auf ideale Weise kombinierte.

Yasmo – so nett kann guter Rap sein

Obwohl Yasmin Hafedh gerade mal 28 Jahre alt ist, zählt sie hierzulande längst zu den klangvollsten Namen in der Rap- und Slam-Poetry-Szene. Unter dem Pseudonym Yasmo verkörpert sie so ziemlich das absolute Gegenstück zu den oft ohnehin schon zu Klischebildern geronnenen  großmäuligen, sexistischen und gewaltverherrlichenden Gangster-Rappern. Yasmos Texte kommen ohne Kraftausdrücke, Beleidigungen, Untergriffe und blinde Wutattacken aus, sind aber alles andere als oberflächlich, harmlos oder banal. Sie thematisiert mit einem außerordentlichen Sprachgefühl und viel Sinn für feine Ironie gesellschaftliche Probleme, die Lethargie und Denkfaulheit vieler Zeitgenossen oder im feministischen Diskurs angeprangerte Missstände. Der Albumtitel „Prekariat und Karat“ lässt schon auf ein waches politisches Bewusstsein schließen, Yasmo bringt ihre Botschaften aber nie schulmeisternd, aufdringlich oder besserwisserisch, sondern stets freundlich lächelnd und mit einem großen Kommunikationsgeschick an den Mann und die Frau. „Alles Scheiße“ ist nicht ihr Ding, vielmehr baut sie auf Solidarität, Selbstermächtigung und aktives Anpacken, wie es beispielsweise in „Mach, mach, mach“ artikuliert wird – ach ja, und natürlich auf die Liebe. Zweckoptimismus? Vielleicht, aber Yasmos Texte haben in Kombination mit der Musik der Klangkantine durchaus Überzeugungskraft.