Musikalisch gelebte Emotion – das Brodsky Quartet zog mit seiner intensiven Spielart die Zuhörenden in seinen Bann
Das renommierte Brodsky Quartet aus Großbritannien ist ein gern gesehener Gast bei „Dornbirn Klassik“. Mit einem exklusiven Programm und eindrücklichen Werkdeutungen warteten die Musikerinnen und Musiker dieses Mal auf. Die dargebotenen Streichquartette von Schostakowitsch, Beethoven und Mendelssohn-Bartholdy sind allesamt an dramatischen Wendepunkten im Leben der Komponisten entstanden und verströmen einen aufwühlenden Charakter. Die „Brodskys“ musizierten mit einem bewundernswerten gemeinsamen Atem und formten die Kompositionen mit einer musikalischen Rhetorik aus, die die höchst emotionalen musikalischen Inhalte feinsinnig erlebbar machte.
Im vergangenen Herbst hat der langjährige erste Geiger Daniel Rowland das Brodsky Quartet verlassen. Vor allem bei Streichquartettformationen weiß man, wie heikel derartige Besetzungsänderungen sein können. Bei ihrem Auftritt in Dornbirn spielte nun die neue Primaria Gina McCormack die erste Geige und sie füllte ihre Rolle voll und ganz aus. Klanglich und in der musikalischen Gestik fügte sich die Musikerin hervorragend in das Quartett ein, so dass von Anfang an ein gemeinsamer Duktus und eine faszinierende Klanghomogenität die Spielart des Streichquartetts auszeichneten.
Schostakowitsch komponierte sein siebentes Streichquartett in Erinnerung an seine verstorbene Frau. Zurückhaltend in der Tongebung und doch sehr präsent formten Gina McCormack und Ian Belton (Violine), Paul Cassidy (Viola) und Jacqueline Thomas (Violoncello) die von zwingenden Tonrepetitionen getragene Musik und artikulierten die emotionalen Gegenpole zwischen Aufbegehren und Verzweiflung mit intensiver klanglicher Ausdruckskraft. Eindrücklich formten die Musikerinnen und Musiker den angedeuteten Trauermarsch als Zeitachse, entfalteten die melodischen Bögen mit zurückhaltendem Pianissimo und unterstrichen dadurch die Wirkung zusätzlich. Groß war der Kontrast zu den energischen Themenführungen in der Fuge, wo chromatische Linien und parallel geführte Phrasen die Gewichtungen ausloteten. Das Finale gestalteten die Quartettmusiker hervorragend, in dem sie den fragenden Gesten immer mehr Raum verliehen und das Werk mit einem fein leuchtenden Dur-Schluss beendeten.
Den zweiten Eckpfeiler dieses eindrücklichen Konzertabends im Dornbirner Kulturhaus bildete das große Streichquartett Nr. 6 von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Darin hat sich Mendelssohn-Bartholdy den ganzen Schmerz nach dem Tod seiner geliebten Schwester vom Leib geschrieben. Dementsprechend vielgestaltig, zerrissen und sehnsuchtsvoll ist die Musik gesetzt. Die emotionale Tiefe und die vielen unterschiedlichen Gefühle, die sich in diesem Werk einen Ausdruck bahnen, kristallisierte das Brodsky Quartet mitreißend heraus. So entwickelte sich eine zwingende Intensität, die mit Anfangsimpulsen und tremolierenden Gesten im Eröffnungssatz begann, über gefühlsbetonte Kantilenen und fragende Gesten bis hin zu fulminant gesteigerten Phrasen im Finale führte. Das Adagio, musiziert mit einer hingebungsvollen Ruhe, bildete den Höhepunkt der Werkdeutung.
Die Aufmerksamkeit gebündelt
Das Publikum im Saal wirkte sehr aufmerksam und spürte wohl das konzentrierte Geben und Nehmen der Musikerinnen und Musiker. So stellte sich im Saal eine dichte musikalische Atmosphäre ein, die ein eindringliches Hörerlebnis ermöglichte.
Auf engstem Raum prallten die Motive in Beethovens Streichquartett Nr. 11, dem „Quartetto serioso“, aufeinander. Das Brodsky Quartet modellierte dieses Werk mit großen dynamischen Kontrasten und einer eher freien Zeitgestaltung. Diese Spielart verlieh vor allem dem Allegretto einen liedartigen Charakter und betonte den Gegensatz zu den scharf artikulierten und vorwärtsdrängenden Themen im dritten Satz. Die rhythmischen Verschiebungen im Finale erklangen plastisch ausgeformt.
Als Hommage an Beethoven möchte die japanische Komponistin Karen Tanaka ihr Stück „At the grave of Beethoven“ verstanden wissen. Die Musik ist im Auftrag des Brodsky Quartets im Jahr 1999 entstanden und entfaltet über einem aufgewühltem Klanggrund schöne Kantilenen. Im Hinblick auf Beethovens kompositorische Kraft mutete das Werk jedoch etwas harmlos an. Aber mit dem Wissen, dass Karen Tanaka während der Werkentstehung von den kriegerischen Geschehnissen im gerade tobenden Kosovokrieg beeinflusst war, entfaltete die Musik als Bittgesang für den Frieden seine individuelle Wirkung.