"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Anita Grüneis · 16. Okt 2022 · Musik

Vaduzer Weltklassik-Konzerte: ein ukrainischer Solidaritäts-Abend der Spitzenklasse

Mit einem Konzert des Nationalen Sinfonieorchester der Ukraine, seinem Chefdirigenten Volodymyr Sirenko und dem Solisten Nuron Mukumi eröffneten die Vaduzer Weltklassik-Konzerte ihre Saison. Gespielt wurden Werke von Boris Lyatoshynksy, Franz Liszt, Robert Schumann und Levko Kolodub. Die beiden ukrainischen Komponisten stammen aus dem 20. Jahrhundert, ihre Musik bildete die Klammer um die beiden Kompositionen aus dem 19. Jahrhundert. Begrüßt wurden die Anwesenden im Vaduzersaal vom Werner Bachmann, Präsident des TAK-Aufsichtsrats und dem Vaduzer Bürgermeister Manfred Bischof, der das Konzert ein «Zeichen der Solidarität» nannte und die Hoffnung äußerte, dass sich das TAK-Motto dieser Saison «Die Hölle ist leer, alle Teufel sind bei uns» bald ins Gegenteil drehen möge.

Zum Auftakt des Konzerts war Boris Lyatoshynsky  „Grazhyna“, eine Symphonische Ballade zu hören. Der Vorname Grażyna stammt aus dem Litauischen von graži, was schön, anmutig bedeutet. Die symphonische Ballade „Grazhyna“ entstand Mitte der 1950er Jahre auf der Basis einer Dichtung von Adam Mickiewicz und erzählt die Geschichte der mythischen litauischen Heeresführerin, die gegen einen Ritterorden kämpft, verraten und durch ihren Tod zur unsterblichen Heldin wird. Die Musik ist hochdramatisch, brillant orchestriert und voller farbenfroher exotischer Themen. Genau das arbeitete Dirigent Volodymyr Sirenko mit seinem Orchester heraus. Das war gleich zu Beginn Aufbruchsstimmung und Dramatik mit einem furiosen Schluss.

Ein Pianist mit Turbofingern

Derart eingestimmt folgte das Klavierkonzert Nr. 1 in Es-Dur von Franz Liszt, das durch den Pianisten Nuron Mukumi zum Highlight des Abends wurde. Der 26-Jährige aus Usbekistan schien in allen Fingern einen Turbo-Antrieb zu haben. Aber nicht nur seine immense Fingerschnelligkeit prägte das Spiel, auch sein Art und Weise, mit dem Klavier umzugehen. Er sprach durch das Instrument, sang beim Spielen, ließ immer wieder die Töne nachklingen, hörte ihnen dabei zu und es schien, als seien alle eben zum Leben erweckte Töne schwerelos und würden mit den Tönen des Orchesters Fangen spielen. Nuron Mukumi ließ die Musik von Liszt trillern und perlen, dabei stand aber nicht die technische Brillanz im Mittelpunkt, sondern der Ausdruck, die Intensität, der Inhalt oder kurz: die Musik. Das wurde auch bei seinen zwei Zugaben deutlich: er spielte eine Variation von Liszts „Paganini“ und zudem einen Walzer von Chopin. Und wieder blieb nur das Staunen über sein unglaubliches Können. Besser hätte er seinen Auftritt nicht beenden können. Das war Weltklasse!

Weit ausschweifend und wuchtig

Nach der Pause legte das Nationale Sinfonieorchester der Ukraine nach und zeigte seine Weltklasse. Die wuchtigen Klänge von Robert Schumanns Sinfonie Nr. 4 in d-Moll schienen beinahe den Saal zu sprengen. Weit ausschweifend durfte sich die Romanze verbreiten, aber nur kurz, denn schon folgten das bewegte Scherzo und ein lebhaftes Trio. Und dann ging die Sonne auf – ein erhabenes Posaunenmotiv deutete dies an. In all ihrer Dramatik wurde die Sinfonie zum großen Strom und erinnerte an die Musik von Beethoven.
Wuchtig blieb es auch beim letzten Stück des Abends, bei der Ukrainisch-Karpatischen Rhapsodie von Levko Kolodub. Manchmal tönte es, als würden Mauern durchbrochen, damit die Klänge ihren Raum bekommen, dann wieder klang es romantisch verträumt bis das Ganze plötzlich jazzig dahinswingte und deutlich wurde, dass diese Musik erst 1961 uraufgeführt worden war! Ein großes Klangfeuerwerk beendete das Konzert, doch natürlich war noch nicht Schluss, denn das Publikum applaudierte mit Standing Ovations und so gab es auch vom Orchester gleich zwei Zugaben, einen Walzer und die Ouvertüre zu „Taras Bulba“ von Mykola Lysenko, einem weiteren ukrainischen Komponisten. Sichtlich bewegt verneigte sich Dirigent Volodymyr Sirenko – er hatte in diesem Konzert Großartiges geleistet und das Orchester mit Dynamik und Einfühlsamkeit durch den Abend geführt und ihn damit geprägt.