Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 15. Okt 2022 · Musik

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – der Gambist Vittorio Ghielmi und das Concerto Stella Matutina wurden in der Kulturbühne AmBach stürmisch gefeiert

Ihr vorletztes Abonnementkonzert stellten die Musiker:innen des Concerto Stella Matutina unter das Motto „Die Stimme des Herzens“. Mit Werkdeutungen von Johann Christian Bach und Carl Philipp Emanuel Bach sowie Konzerten von Johann Gottlieb Graun zeigten sie eindrücklich, was sie damit meinen. Bewundernswertes dazu beigetragen hat überdies Vittorio Ghielmi, international renommierter Gambist und Dirigent sowie Spezialist für die Aufführungspraxis der Musik des Sturm und Drangs sowie des empfindsamen Stils.

Bernhard Lampert, Thomas Platzgummer, Lukas Schurig-Breuss und Herbert Walser-Breuss als Programmverantwortliche für die Konzerte des Concerto Stella Matutina hatten bereits vor Jahren eine zündende Idee. Für jedes einzelne Konzertprojekt laden sie internationale Expert:innen zur Zusammenarbeit ein. Auf diese Weise kommen exklusive Werkzusammenstellungen zustande, das Publikum lernt exquisite Instrumente, dieses Mal die Viola da Gamba, kennen und die Orchestermusiker:innen profitieren vom Wissen der Spezialist:innen.
All diese Vorzüge waren beim vierten Abonnementkonzert in der Kulturbühne AmBach erlebbar. Vittorio Ghielmi erklärte den Zuhörenden „sein“ Instrument, die Viola da Gamba. Bei dieser Gelegenheit verglich er das Instrument mit einer Laute, deren Saiten gestrichen werden. Der feine Klang der 7-saitigen Viola da gamba breitete sich im Saal gut aus und kam insbesondere in den drei Solostücken von Carl Friedrich Abel zur Geltung. Transparent kristallisierte der aus Italien stammende Gambist aus den ornamentalen Linien die melodischen Themen heraus, betonte die Tonartencharakteristik und spielte die mehrstimmigen Passagen mit beeindruckender Klarheit. Dem poesievollen ersten Stück folgte ein fröhlicher Tanz-Satz, in dem die quirligen Abschnitte wunderbar in Beziehung zu den melancholischen Einwürfen gestellt wurde. Temperamentvoll formte Vittorio Ghielmi das virtuose Schlussstück.

Den Klang modelliert

Vittorio Ghielmis feinsinnige Musizierhaltung mit sensibler Tongebung und gleichzeitig die mitreißende Spieltechnik boten auch gute Voraussetzungen für das Konzert in d-Moll von Johann Gottlieb Graun. Die Orchestermusiker:innen achteten sehr darauf, dem feinen Instrumentalklang genügend Raum zu geben. So kamen die wankelmütigen melodischen Themengestalten und der zerklüftete Satz sowie die zahlreichen Überraschungsmomente hervorragend zum Ausdruck. Dass Sturm und Drang ganz nah beim empfindsamen Stil sein kann und melancholische Liedmelodien mit zugrunde liegenden Tonrepetitionen beinahe die Zeit aufheben, zeigten der Solist und die Orchestermusiker:innen im langsamen Mittelteil auf. Für den sprechenden Duktus der Musik nahmen sich die Interpret:innen viel Zeit. Umso vitaler wirkte schließlich das virtuose Finale, mit großem Ambitus, abrupten Pausen sowie aufwühlenden Trillermotiven, um nur einige Details zu nennen.
Das Konzert für Violine, Viola da gamba und Orchester in c-Moll, ebenfalls von Johann Gottlieb Graun musizierten die Konzertmeisterin Irma Niskanen und Vittorio Ghielmi in einem guten Dialog miteinander. Temperamentvoll unterstrich die Solistin den Aufforderungscharakter und leidenschaftlich umgarnten sich die beiden Instrumentalstimmen mit sinnlichen Dialogen. Eine naturhafte Atmosphäre stellte sich vor allem im Finale ein, wo die beiden Hornstimmen den musikalischen Fluss antrieben.

Abrupte Stimmungswechsel mit den Bachsöhnen

Den Rahmen des Konzertabends bildeten zwei Sinfonien von Johann Christian Bach und Carl Philipp Emanuel Bach. In diesen beiden Kompositionen zeigte sich die spannende Kompositionsart zwischen dem Hochbarock und der Frühklassik in vielerlei Schattierungen. Mit Vittorio Ghielmi am Pult wurden in J.C. Bachs Sinfonia in g-Moll (op. 6/6) die dynamischen Gegensätze sowie die tremolierenden Flächen mit stoischen Begleitfloskeln prägnant dargestellt. Doch zuerst hatte das Concerto Stella Matutina etwas Mühe, um in eine kongruente Spielart zu kommen. Die anspruchsvollen Violinparts wirbelten bei Übergängen und Schlusspunkten eine exakte Koordination etwas durcheinander und dem langsamen Mittelsatz fehlte teilweise die Spannkraft.
Kompositionen von Carl Philipp Emanuel Bach sind immer wieder für Überraschungen gut und so war die Werkdeutung der Sinfonie in Es-Dur (WQ 179) ein erfrischendes Hörerlebnis. Besonders in Erinnerung blieben der schöne Bewegungsfluss sowie jene Passagen, bei denen mit Erwartungshaltungen gespielt und auf diese Weise dramatische und humorvolle musikalische Überraschungen eingebaut wurden. Die Chromatik, die einbezogene Stille, die immer wieder neuen Anläufe und der schreitende Duktus zeichnete das Orchester unter der Leitung von Vittorio Ghielmi spannend nach. Für eine naturhafte, beschwingte Stimmung sorgten im Finale wieder die Hörner.

weiteres Konzert: Concerto Stella Matutina: "Die Stimme des Herzens", Vittorio Ghielmi, Ltg.
So, 16.10., 18 Uhr
Kulturbühne AmBach, Götzis
www.stellamatutina.at