Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Anita Grüneis · 26. Jän 2019 · Musik

Vaduzer Operettenbühne: „Der Bettelstudent“ – traditionell und gediegen

Ach, er hat sie ja nur auf die Schulter geküsst, und sie gab ihm dafür einen Schlag ins Gesicht. Das lässt sich Mann nicht gefallen, die Rache soll fürchterlich werden. Carl Millöcker schrieb mit seinem „Bettelstudent“ eine verspielte Komödie rund um einen Schwerenöter. Ein Thema, das aus heutiger Sicht wieder sehr aktuell ist. In Vaduz hat sich zum ersten Mal eine Frau ans Regie-Werk gemacht, wie der Präsident der Vaduzer Opererettenbühne Clemens Laternser stolz bei der Begrüßung der Premierengäste bemerkte. Dies nach 50 (!!!) Produktionen seit dem Jahr 1947. Würde sie die Geschichte aus einer anderen Perspektive erzählen? 

Kostümfest mit Arkadenbühne

Gleich zu Beginn wurde klar, dass dies nicht geschehen ist. Regisseurin Astrid Keller ließ via Kostümbildnerin Evelyne M. Fricker sowohl den Chor als auch die Solisten in üppige Kostüme aus der Rokoko-Zeit stecken. Dazu passte das Bühnenbild von Leopold Huber mit seinen drei Arkaden, die sich rasch verändern ließen. Zudem war über den Arkaden offenbar eine Gehfläche, was für eine zusätzliche Spielfläche sorgte. Im letzten Bild standen dazu etliche mannshohe Venus-Skulpturen auf der Bühne herum und wer nun gedacht hatte, dass die vielleicht nur so tun, als wären sie aus Stein oder Styropor, der wurde eines Besseren belehrt: Sie waren tatsächlich nicht lebendig.  

Frau am Regiepult: Na und?

Das wäre auch eine zu schöne Auflockerung in dieser sehr traditionellen Inszenierung gewesen, die sich darauf beschränkte, den Chor schön zu gruppieren und die Liebespaare aneinander klammernd singen zu lassen, ansonsten alle gerne frontal aufstellte, damit der Gesang gut über die Rampe kam. Fast schien es, als wäre Astrid Keller darauf bedacht gewesen, nichts falsch zu machen, mit nichts anzuecken und alles so zu belassen, wie es immer schon gewesen ist. Warum sollte eine Frau auch etwas anders oder besser machen als ein Mann? Aber sie hätte als erste Frau am Regiepult der Vaduzer Operettenbühne schon einen Meilenstein mit einer neuen Sichtweise auf das Geschehen setzen können. Es blieb rätselhaft, was die Regisseurin an dieser Operette wirklich interessierte. 

Wann ist ein Mann ein Mann?

Dabei hätte die Geschichte einiges hergegeben. Oberst Ollendorf wird bei der verarmten Komtesse Laura handgreiflich und von der Dame ebenso handgreiflich abgewehrt. #MeToo lässt grüßen. Doch der Oberst fühlt sich nicht schuldig, sinnt auf Rache und lässt zwei politische Häftlinge aus dem Gefängnis holen, den (Bettel-)Studenten Symon Rymanowicz und seinen Kumpel Jan Janicki. Symon soll verkleidet als Fürst Wladislaw Wybicki das Herz von Laura erobern, sie heiraten und so zum Gespött der Gesellschaft machen. Und wie es in der Operette eben so ist, verlieben sich Laura und Symon sofort ineinander. Und Jan ist natürlich kein armer Student, sondern ein polnischer Freiheitskämpfer, der Krakau und Polen von den sächsischen Besatzern befreien will, was ihm auch gelingt. Dazu bekommt er auch noch Bronislawa, die Schwester von Laura und auch die Mutter der beiden, Palmatica, ist zufrieden. Reichtum winkt. Ende gut, alles gut. 

Ein glanzvoller Christian Büchel

In der Vaduzer Inszenierung glänzte Christian Büchel als Ollendorf. Mit wahrer Spiellust belebte er das ansonsten eher gemächliche Geschehen. Er konnte sein komödiantisches Darstellertalent voll ausschöpfen und fühlte sich mit der Gesangspartie hörbar wohl. Sein Couplet „Schwamm drüber“ erweiterte er gar mit politischen Anspielungen auf die Liechtensteiner Parteienlandschaft. Ihm zur Seite standen die drei nicht so schneidigen Soldaten Mattias Müller-Arpagaus, Jonas Eckenfels und André Sesgör. Als Gefängniswärter Enterich mit Krücke und in Lumpen gehüllt ließ Paul Erkamp an „Les Miserables“ denken.

Anna Gschwend als liebevolle Laura

Im Mittelpunkt der Damenwelt stand Komtesse Laura, die Anna Gschwend mit natürlicher Wärme ausstattete. Ihr Sopran klang trotz Erkrankung schön und weich. Ihre Mutter Palmatica war bei Barbara Jaggi-Pietrzak in besten Händen. Hauptdarsteller Michael Mögl wirkte als Bettelstudent etwas unbeweglich, sein Tenor war zwar tragend, ihm fehlte es aber an Geschmeidigkeit. Dagegen glänzte Mindaugas Jankauskas als Student Jan, in ihm vereinte sich optische Eleganz mit einer starken Stimme. Zu ihm passte perfekt Nadja Nigg, die ihre Bronislawa als komödiantisches Drei-Nüsse-Aschenputtel zeigte, die, anscheinend auf Diät gesetzt, immerzu hungrig war. Auffallend mit ihrer winzigen Rolle war Miriam Dey, die ihrer Wirtin eine starke Bühnenpräsenz verlieh und so eine einprägsame Figur schuf.

Dirigent William Maxfield leitete das Liechtensteiner Sinfonieorchester mit viel Feingefühl, hielt die musikalischen Fäden gut zusammen und bereitet den SängerInnen auf der Bühne ein perfektes Umfeld. 

weitere Vorstellungen:
So, 27.1. und 3./10./17.2., 14.30 Uhr
Fr/Sa, 2./9./15./16.2., 19.30 Uhr
Vaduzer Saal
www.operette.li