Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 26. Jän 2019 · Musik

Große symphonische Kunst und Künstler – Die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Francois-Xavier Roth boten viele einzelne Teile, jedoch kein begeisterndes Ganzes

Die Vorfreude auf das Konzert der Wiener Symphoniker im Rahmen der Bregenzer Meisterkonzerte war groß, denn neben einem exquisiten Konzertprogramm mit Symphonien von Berlioz und Beethoven war auch der herausragende Dirigent Francois-Xavier Roth angekündigt. Den Solopart in Berliozs „Harold-Symphonie“ interpretierte der französische Bratschist Antoine Tamestit. Er war schließlich auch der Einzige, der an diesem Abend berührte.

Francois-Xavier Roth ist ein renommierter Dirigent, der mit zahlreichen seiner Werkdeutungen für Furore sorgt. Nun gastierte er mit den Wiener Symphonikern und zum Abschluss der gemeinsamen Österreichtournee im Bregenzer Festspielhaus. Zuerst wendeten sich die Musiker der hochromantischen und differenziert instrumentierten Symphonie „Harold en Italie“ von Hector Berlioz zu. Nach einer elegischen Einleitung, die eine unterschwellige Spannung aufbaute, betrat der Bratschist Antoine Tamestit die Bühne. Er verkörperte mit seiner Ausstrahlung den auf Lord Byron zurückgehenden Protagonisten „Harold“ hervorragend und höchst überzeugend. In seinem emphatischen Spiel und der feinsinnigen Tongebung kamen die vielgestaltigen und zwiespältigen Gefühlswelten des Protagonisten wunderbar zum Ausdruck.
In den einzelnen Sätzen wechselte der Solist seine Spielposition und fügte sich damit in den Raumklang des Orchesters ein. Dies verlieh der Werkdeutung eine mitteilsame theatralische Note. Doch sie hatte auch seinen Preis. Was am Beginn in der Kantilene zwischen der Bratsche und der vor dem Orchester postierten Harfe gut funktionierte, entpuppte sich in weiterer Folge - in der die Harfe in den Gesamtklang des Orchester eingebettet klingen sollte - als koordinatorisch und klanglich schwieriges Unterfangen.
Trotzdem überwog der positive Gesamteindruck, auch weil das Orchester dem Solisten ein guter Partner war. Einesteils malten die Musikerinnen und Musiker die Seelenlandschaften vielfarbig aus, andernteils ließen sie sich flexibel auf die fragenden Gesten des Solisten ein, so dass sich feinsinnige Dialoge entfalteten. Francois-Xavier Roth leitete die Wiener Symphoniker mit viel Engagement. Die großen Phrasierungsbögen kristallisierten sich heraus, wenngleich die Innensicht auf die musikalischen Details mitunter etwas zu kurz kam. Wettgemacht wurde dies jedoch durch die markante Rhythmik und die vielen Klangfarbenschattierungen des Orchesterklanges.
Imposant wirkte die Schlusspassage im Finalsatz, die zum Weiterdenken Anlass gab. Ein Streichertrio spielte hinter der Bühne und auch der Solist wurde als Einzelner separiert. Zuerst stellten sich die vier Musiker der Übermacht des Orchesters, jedoch wurden sie in weiterer Folge vom Orchestertutti mit üppigen Klangmassen „mundtot“ gemacht.

Eigentümlich unverbindlich

Musikalisch und im Hinblick auf die Gattungsgeschichte der Symphonie fügte sich die dritte Symphonie von Ludwig van Beethoven hervorragend zu Berliozs „Harold-Symphonie“. Allerdings enttäuschte die Werkdeutung der Wiener Symphoniker und Francois-Xavier Roth die hohen Erwartungen. So beiläufig wie die beiden bedeutungsschweren Akkordschläge gleich am Beginn des monumentalen Werkes ausgedeutet erklangen, genau so entwickelte sich der musikalische Fluss während der gesamten Symphonie weiter. Selbstverständlich gab es wirkungsvoll ausgestaltete Phrasierungsbögen und Soli zu hören. Doch die Spielart der Wiener Symphoniker unter der Leitung von Francois-Xavier Roth wirkte wenig überzeugend aufeinander abgestimmt. An der Oberfläche hatte die Werkdeutung zwar einiges zu bieten, dennoch wirkte sie auf mich doch eigentümlich unverbindlich und wenig konturiert.