Tragisches und Scherzhaftes – das Symphonieorchester Vorarlberg demonstrierte unter Gérard Korsten seine Vielseitigkeit
In der traditionellen Matinee des Symphonieorchesters Vorarlberg bei den Bregenzer Festspielen standen Werke auf dem Programm, die ihren Geist aus Dichtungen von Johann Wolfgang von Goethe schöpfen. Eine weitere kompositorische Facette der englischen Komponistin Judith Weir war mit „Natural History“ zu erleben. Gérard Korsten am Pult des SOV setzte vor allem in Liszts „Faust-Symphonie“ aufs Ganze. Allerdings war die Werkfolge verkehrt angelegt, denn ein derart großes Werk erfordert die ganze Aufmerksamkeit der Zuhörenden und ist in der zweiten Konzerthälfte fehl am Platz.
„Eine Faust-Symphonie in drei Charakterbildern“ nannte Franz Liszt sein Werk, das zugleich als Sinfonie und im Sinn einer Sinfonischen Dichtung angelegt ist. In drei Sätzen schuf der Komponist Charakterdarstellungen von Faust, Gretchen und Mephisto. Dazu verwendete er vielgestaltige musikalische Mittel im Hinblick auf die Themen und die Harmonik. Gleich zu Beginn stellte Gérard Korsten die spezifischen Tritoni und darauf folgenden Akkorde beziehungsreich in den Raum, ließ sich viel Zeit bei der Entfaltung der Hauptthemen und führte sie zum Höhepunkt. Transparent musizierten die OrchestermusikerInnen, einesteils mit kantigen Phrasierungsbögen, andernteils mit leidenschaftlichem Nachdruck. Gut nachvollziehbar waren die Dialogstrukturen und kommunikativen Gestaltungsmittel, die das Wesen des Protagonisten Faust beschrieben.
Liedartig angelegt war der langsame Mittelsatz, in dem Gretchen in ihrem Wesen und ihre Beziehung zu Faust dargestellt wurden. Bewunderung riefen die SolistInnen des SOV hervor, weil sie mit einer feinsinnig aufeinander abgestimmten Pianokultur die musikalischen Phrasen ausbreiteten und miteinander in Beziehung stellten. Kein Ton wirkte lediglich beiläufig hingesetzt, sondern alle Motive zeichneten sich durch ein klangfarbenreiches Innenleben aus.
Der Finalsatz „Mephistopheles“ erklang scharfsinnig gestaltet. Markant wurden die ‚Faustthemen’ wieder aufgegriffen, zergliedert und in eine zackige Fuge geführt. Zu Hören war die erste Version der Faust-Symphonie, die auf das Tenorsolo und den Chorpart verzichtete. Gérard Korsten leitete die MusikerInnen mit klarer Geste und vollem Einsatz. Die einzelnen Formteile wirkten in einem guten Verhältnis zueinander. In den ruhigen Abschnitten baute sich eine Spannung auf, die im vollen Orchestersatz ohne bombastische Ausbrüche entladen werden konnte.
Etwas sperrige naturhafte Gleichnisse
„Natural History“ für Sopran und Orchester stammt aus der Feder von Judith Weir, „Composer in residence“ der diesjährigen Bregenzer Festspiele. Diesem Werk legte sie Auszüge der Dichtung „Dschuang Dsi“ aus dem 4. Jhdt. v. Chr. zugrunde. Vor allem der erste Abschnitt „Das Pferd“ vermittelte einen Botschaftscharakter, aphoristische Bilder entfalteten die Mittelteile „Sänger“ und „Schwimmer“, während „Fisch/Vogel“ den Blick auf die Welt der Imagination lenkte. Dazu schuf Judith Weir musikalische Illustrationen, deren Themen sie aus den Textinhalten generierte. Beispielsweise gegensätzliche Themengestalten von wilden und dressierten Pferden, die Brandung an einem Felsen und große Linien, die erhebende Freude symbolisierten. Das SOV musizierte zurückhaltend, stets bedacht auf die Gesangslinie, die mitunter gegen den großen Orchesterapparat anzukämpfen hatte.
Die Sopranistin Romana Beutel sang die Texte und bemühte sich um eine authentische Werkdeutung. In den ‚arienartig’ angelegten Passagen gelang ihr dies, jedoch ergaben die ‚rezitativartig’ konzipierten Textpassagen abschnittweise eine wenig abgerundete Linie.
Die Geister, die ich rief’
Paul Dukas „Der Zauberlehrling“ interpretierten die MusikerInnen ganz im Sinne eines Scherzos für Orchester. Erfrischend neu war das bekannte Werk zu hören, amüsant und bilderreich sowie musikalisch virtuos wurden die berühmte Ballade von Goethe ausgedeutet und die Protagonisten zum Leben erweckt.