Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Silvia Thurner · 28. Mär 2009 · Musik

Tierische und menschliche musikalische Welten

Als am Dornbirner Spielboden der Akkordeonist Luciano Biondini, der Tubist Michel Godard und der Cellist Ernst Reijseger ihr Konzert begannen, wurde sofort klar, dass sich drei Individualisten zu einem höchst interessanten musikalischen Schlagabtausch eingefunden hatten. Alle drei widmen sich seit Jahren dem Jazz, sie haben jedoch fundierte Kenntnisse der klassischen Musik. Spielarten aus dem Genre der zeitgenössischen Musik bereichern ihren musikalischen Ausdruck enorm. Vermischt mit originellen und virtuosen Spieltechniken sowie improvisatorischen Ideen, die aus allen musikalischen Genres schöpfen und auch folkloristische Gedanken mit einfließen lassen, boten sie ein nachhaltiges Musikerlebnis.

Die musikalische Kommunikation des Trios war das verbindende Element, das sie nicht nur sehr unterhaltsam, sondern auch in kompositorischer Hinsicht raffiniert anlegten. Im ersten Stück „Prendere o lasciare“ von Luciano Biondini fungierte Michel Godard als Impulsgeber, die anderen griffen seine Gedanken auf und reagierten jeweils mit ihren eigenen Ideen, so verdichteten sich die musikalischen Motive und entwickelten zum Ende hin einen Drive, der den Funken zum Publikum zum Überspringen brachte. Alle Instrumente wurden verstärkt gespielt, doch leider geriet das Cello allzu oft ins Hintertreffen, weil die differenzierten Tonlinien im musikalischen Gesamtgeschehen zu wenig präsent wirkten.

Das Cello, eine Frau - die Tuba, ein Elefant

Das Cello wird oft mit einem Frauenkörper assoziiert und Ernst Reijseger bestärkte diesen Eindruck unmittelbar und direkt. Er streichelte und kratzte sein Instrument liebevoll und brachte schön austarierte geräuschhafte und obertonreiche Klänge hervor. Das Spiel seiner Partner unterstützte die intime Atmosphäre poesievoll. In Anlehnung an Bachs Cellosuiten wurde in „Comodo Waran“ ein Spannungsbogen von der Barockmusik zur Minimalmusic entfaltet. Amüsant nahm Reijseger Kontakt zum Publikum auf, reagierte auf einen Zuruf sowie einen Zwischenapplaus spontan und bezog das Knarren seines Stuhles in seine Musik mit ein. Brodelnde Geräusche, mit viel Luft und gurgelnden Stimmlauten belebten Godards Tuba und machten einen weiteren Aspekt des überragenden Trios deutlich. Ihre Eigenkompositionen nahmen die zahlreichen ZuhörerInnen mit auf eine abenteuerliche Reise voller Überraschungen. Der musikalische Fluss war nie vorhersehbar. Einesteils erklangen die Instrumente in personifizierter Form, andernteils verliehen ihnen die Musiker auch animalische Züge. Derartige Sounds wirkten jedoch nie oberflächlich illustrativ, sondern entwickelten sich stets aus einem musikalischen Sinnzusammenhang heraus.

Musikalischer Höhepunkt

In Reijsegers „How not 2“ begegneten sich der Akkordeonist und der Tubist und führten einen bemerkenswerten Gedankenaustausch, sie wetteiferten miteinander, scherzten, spielten sich Motive zu und leiteten sie weiter. Doch dann gesellte sich das Cello dazu, und der Grundcharakter dieses spannenden Werkes änderte sich grundlegend. Ein Lamento machte sich raumgreifend breit bis der musikalische Fluss in einem monotonen Rhythmus stecken blieb und scheinbar lange Zeit kein Ausweg sichtbar wurde. An dieser Stelle wurde das Werk allzu plakativ gesteigert, doch die Schlusswendung, in der sich der Knoten löste und in einem Pianissimo abebbte, hinterließ einen aussagekräftigen Eindruck. Diese Komposition stellte einen dramatischen Höhepunkt des Abends dar und ließ viel Raum für eigene Assoziationen.

Bewundernswerte Kunst der Improvisation

Im zweiten Set brachten die Musiker vor allem ihre improvisatorische Meisterschaft zur Geltung. Michel Godard improvisierte auf seiner Tuba, indem er beziehungsreiche Tremoli und Wechseltonmelodien darbot, die ihre Vorbilder in der Barockmusik finden. Die gespaltene Linienführung ergab eine höchst anregende Dialogstruktur. Das Hauptaugenmerk in den solistischen Passagen von Luciano Biondini war auf seine orchestral angelegte Musik gerichtet, rhythmisch komplexe und melodisch vielfach verflochtene Motive begeisterten das Publikum. Der Akkordeonist stellte darüber hinaus quasi das Zwischenglied und die vermittelnde Instanz des Trios dar. Spektakulär wirkte auch die Spielweise von Ernst Reijseger, der sein Cello oft auch als Gitarre auf die Knie nahm und mit atemberaubendem Fingerpicking faszinierte. Seine Musik besticht durch seinen Ideenreichtum, mit dem er stets neue Klangqualitäten und Toneigenschaften präsentierte. Das Publikum applaudierte begeistert.