Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 26. Mär 2009 · Musik

Alchemie der Stimmen

Das Kammerorchester „Kremerata Baltica“ gastierte bei den Bregenzer Meisterkonzerten und wurde seinem Ruf eines individuell agierenden Ensembles erneut gerecht. Die EnsemblemusikerInnen präsentierten ihre überragende Klanghomogenität im Festspielhaus mit einer unkonventionellen Werkauswahl. Bewährtes und Neues von S. Prokofjew, D. Schostakowitsch, A. Pärt, B. Britten und C. Vine wurde auf einen bemerkenswerten Nenner gebracht. Bereichert wurde das Programm von drei Solisten. Der international gefeierte Pianist Oleg Maisenberg hinterließ einen eher unnahbaren Eindruck, an seiner Seite spielte der bewundernswerte Trompeter Manuel Lichtenwöhrer. Daniil Grishin an der Viola machte mit seiner kommunikativen und intensiven Spielart die Welt vergessen.

 

Im Dienste eines individuellen Klangerlebnisses

Bearbeitungen werden von Orchestern eher selten gespielt. Für die „Kremerata Baltica“ trifft dies jedoch nicht zu, weil die MusikerInnen gerne für sie geeignete Kompositionen in einer Streichorchesterfassung offerieren. Sergej Prokofjews Klavierminiaturen „Visions fugitives“, op. 22 sind eine Sammlung von Stimmungsbildern, die in der Klavierfassung vor allem durch die Ambivalenz zwischen spröden und lyrischen musikalischen Charakteren changiert. In der Streichorchesterfassung der „Kremerata Baltica“ nahmen die Stücke einen erzählerisch bildhaften Ton an, weil die Melodie führenden Linien klanglich ineinander verschmolzen wurden. Eben dieser ausgeglichene Gesamtklang ist ein Markenzeichen des Kammerorchesters, das in sämtlichen Konzerten zugleich von den MusikerInnen und vom Publikum ausgekostet wird. Der positive Gesamteindruck ist umso stärker, als die „Kremerata“ in Bregenz ohne Dirigenten spielte, quasi vom Konzertmeister aus geleitet wurde. Dies führte vor allem in Carl Vines impulsivem Werk „Smith’s Alchemy“ zu einem akrobatischen aufeinander Reagieren und ineinander Verzahnen der rhythmisch vertrackten musikalischen Linien. Obwohl das Werk in kompositorischer Hinsicht nicht bis zum Ende hin überzeugen konnte, spielte das Orchester mitreißend und mit kraftvollen Impulsen. Das Publikum applaudierte begeistert.

Schostakowitsch ohne ironische Spitzen

Oleg Maisenberg ist einer der bekanntesten Pianisten. Wenn er an sein Instrument tritt, sind die Erwartungshaltungen naturgemäß hoch gesteckt. Das Konzert für Klavier, Trompete und Orchester, op. 35 von Schostakowitsch interpretierte Maisenberg engagiert, mit einem im Detail ausgewogenen Augenmerk auf die Eigenheiten der Themengestalten. Er betonte vor allem die Mittellagen, so dass der musikalische Fluss eher rund, rhythmisch jedoch wenig forciert wirkte. Über diesen Interpretationsansatz ließe sich trefflich diskutieren, denn Anspielungen, die auf ironische Akzente aus der Unterhaltungsmusik verweisen, kamen eher wenig zum Ausdruck. Mehr im Vordergrund stand ein lyrisches Werkverständnis. Erst im Finalsatz nahm der Solist einen nachhaltigen Kontakt zum Orchester auf, in dem er die MusikerInnen zu einer aktiven Auseinandersetzung zwischen Solist und Orchester animierte. Oleg Maisenberg zur Seite musizierte Manuel Lichtenwöhrer, der vor allem mit seiner Spielart faszinierte. Die Einsätze platzierte der Trompeter stilsicher und nie aufdringlich, sondern nobel zurückhaltend und dennoch den musikalischen Verlauf bestimmend.

Atmende Musik

Den Höhepunkt der Werkdeutungen stellte Benjamin Brittens „Lachrymae“, op. 48a mit dem Solisten Daniil Grishin an der Viola dar. Er fasste das Werk mit einer fesselnden Spielart, die einen mitteilsamen Sprachcharakter vermittelte. So intensivierte der Solist in einem guten kommunikativen Einverständnis mit dem Orchester den Atem der Musik. Passend zu diesem Werk korrespondierte Arvo Pärts „Cantus in memoriam Benjamin Britten“.

Konzerthinweis: Die „Kremerata Baltica“ gastiert am Mittwoch, den 20. Mai unter der Leitung von Heinrich Schiff im Kulturhaus Dornbirn.