Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 28. Mär 2009 · Film

Glaubensfrage

Zwei religiöse Welten prallen mit Pfarrer Flynn und Schwester Aloysius aufeinander. Seiner weltoffenen, schon vom Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils geprägten Haltung steht die sich selbst und der Welt gegenüber harte und strenge Nonne gegenüber. – Ein angesichts des aktuellen konservativen Kurses des Vatikans durchaus aktueller Film, der allerdings trotz starker Schauspieler über seine Herkunft vom Theater nicht hinwegtäuschen kann.

Unter dem Einfluss der Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche hat John Patrick Shanley 2003 sein Theaterstück „Glaubensfrage“ geschrieben. Aber er lässt die Handlung nicht in der Gegenwart spielen, sondern verlegt sie ins Jahr 1964, in eine Zeit, in der mit dem von Papst Johannes XXIII. einberufenen Zweiten Vatikanischen Konzil eine Aufbruchstimmung in der katholischen Kirche herrschte, die den konservativen Kräften keineswegs gefallen konnte. Aktualität besitzt das Thema 2009 wiederum durch den konservativen Kurs des Vatikans, der beim Kirchenvolk vielfach Missfallen, Kritik oder auch Kirchenaustritte hervorruft.

In Shanleys Stück trifft ein weltoffener und menschenfreundlicher Priester (Philip Seymour Hoffman), der in seinen Predigten gegen Intoleranz und selbstherrliche Glaubensgewissheit Partei ergreift, auf eine misstrauische Nonne (Meryl Streep), die mit Härte und eiserner Disziplin eine katholische Privatschule in der Bronx leitet. Keine Haarspange duldet sie bei ihren Schülerinnen, wenn sie eine Klasse betritt, stehen die Schüler stramm und jedes Gemurmel verstummt. Misstrauisch beobachtet sie folglich den beim Volk und den Schülern beliebten Priester, der Sport unterrichtet, sich freundlich und einfühlsam um seine Schützlinge kümmert und ihnen Witze erzählt. Argwöhnisch sucht sie nach Verdachtsmomenten um Pfarrer Flynn unter Druck zu setzen und loszuwerden. Folglich ist sie höchst erfreut, als sie erfährt, dass sich der Pfarrer besonders eines afroamerikanischen Jungens annimmt und reimt sich ohne jegliche Beweise zusammen, was der Pfarrer so alles mit dem Jungen macht.

Nun hat Shanley sein Stück selbst verfilmt und unübersehbar ist die Herkunft von der Bühne. Teils abgehackt wie Akte im Theater folgen Szenen aufeinander, wenig wird mit der Bildsprache gearbeitet und wenn, dann plakativ. Die Herbststimmung mit Stürmen und Gewittern, die schließlich in den Winter übergeht, wird allzu aufdringlich mit dem dramatischen Geschehen in Bezug gesetzt, allzu platt vermittelt mehrfach eine gekippte Kamera den Verlust von Gewissheiten und eine aus dem Lot geratene Welt, und recht simpel wird in einer Parallelmontage einem fröhlichen Essen einiger Priester die Grabesruhe am Esstisch um Schwester Aloysius gegenüber gestellt.

So hat Shanley gut daran getan, den Raum vor allem den Schauspielern zu überlassen. Wenig filmisch sind zwar die zahlreichen Großaufnahmen mit sprechenden Köpfen, aber Philip Seymour Hofmann als charismatischer Priester und die junge Amy Adams als die junge und naive Schwester James, die sich von Schwester Aloysius manipulieren und lenken lässt, können mit ihrem Spiel dem Thesenstück Leben einhauchen. Problematisch ist dagegen, wie Meryl Streep ihre eiserne Nonne anlegt. Allzu verbiestert, ohne jedes Lachen agiert sie wohl scharf an der Grenze zur Karikatur – und manchmal auch schon jenseits der Grenze. Allzu sehr stellen da auch vor allem in den dramatischsten Momenten die Großaufnahmen die Mimik aus, aber der Konflikt, der hier ausagiert wird, hat eine zeitlose und universelle Qualität, die es spannend macht, ihm zu folgen.

Mit Kindesmissbrauch und Rassismus packt Shanley zwar am Rande recht viele weitere Themen in sein Drama, versteht es aber auch, den Zweifel des englischen Titels („Doubt“), der schon mit der ersten Predigt des Priesters als Grundthema angeschlagen wird, nicht nur spannend durchzudiskutieren, sondern ihn auch direkt auf den Zuschauer zu übertragen.

Denn das am Anfang aufgebaute Gut-Böse-Schema wird mit Fortdauer in Frage gestellt. Nicht nur die Glaubensgewissheit zunächst der jungen Schwester und am Ende auch die von Schwester Aloysius wird erschüttert, sondern auch die des Zuschauers. Mag einem der Priester auch noch so sympathisch sein, so wird doch bis zum und über das Ende hinaus nicht geklärt, ob die Missbrauchsverdächtigungen der Nonne nicht doch berechtigt waren und sich hinter dem jovialen Priester in Wahrheit nicht doch ein Pädophiler verbirgt. – Gerade in diesem Erschüttern von scheinbar eindeutigen Gewissheiten und Sicherheiten, die nur Fundamentalisten haben, während zum echten Glauben der Zweifel untrennbar dazu gehört und Ausgangspunkt und Basis des Glaubens ist, kann „Glaubensfrage“ auch jenseits der religiösen Komponenten zum Nachdenken über eigene Vorurteile, Wahrnehmungsverzerrungen und Intoleranz anregen.

 

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