Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Walter Gasperi · 21. Mär 2009 · Film

Tage des Zorns

Im von den Nazis besetzten Dänemark verschwimmen für zwei dänische Widerstandskämpfer zunehmend die Grenzen zwischen Gut und Böse, Freund und Feind und Fragen nach Gerechtigkeit und Rechtmäßigkeit ihres Handels kommen auf. – Ole Christian Madsen gelang ein ebenso packender wie differenzierter, auf wahren Begebenheiten basierender Thriller.

Mehrfach wurde im Kino schon vom Widerstand gegen die NS-Besatzungsmacht erzählt. Für Frankreich legte zu diesem Thema Jean-Pierre Melville schon vor 40 Jahren mit seinem kühlen, autobiographisch geprägten „L´armee des ombres“ (1969) den zentralen Film vor und in Holland beschäftigte sich Paul Verhoeven nach „Soldiers“ (1977) vor drei Jahren in „Black Book“ (2006) nochmals mit dem Thema. Immer geht es dabei nicht nur um die historischen Ereignisse, sondern vielmehr grundsätzlich um Vertrauen und Loyalität, Verrat und Manipulation. Denn anders als im offenen Krieg, verwischen sich im Untergrund die Grenzen von Gut und Böse leicht, ist oft nicht klar, wer letztlich auf welcher Seite steht und wer gutgläubige Widerstandskämpfer nur instrumentalisiert, um seine eigenen Ziele zu verwirklichen. Nicht anders ist das auch in Ole Christian Madsens „Tage des Zorns“.

Wie ein düsteres Gangsterepos von Scorsese

Während Verhoeven aber poppig und grell erzählte, immer auf den größten Effekt abzielend und diesen lustvoll ausspielend, orientiert sich der Däne eher an den Gangsterepen eines Martin Scorsese. Düsternis verbreitet sich von Anfang in diesem Widerstandsdrama, wenn zu grobkörnigen schwarzweißen Archivaufnahmen vom deutschen Einmarsch in Dänemark am 9. April 1940 (so genannte „Weserübung Süd“) der Voice-Over-Kommentar des gut 20jährigen, aufgrund seiner roten Haare Flame genannten Bent (Thure Lindhardt) die Erinnerung an dieses Ereignis und den daraus resultierenden Hass auf die Nazis und mehr noch auf die kollaborierenden Dänen beschwört.

Flames Voice-Over bündelt, rafft und dynamisiert auch in der Folge immer wieder das Geschehen, schafft einen Handlungsfluss und bringt gleichzeitig eine das Gezeigte reflektierende, kritisch kommentierende Perspektive ins Spiel. Die Handlung setzt erst vier Jahre später ein. Im Auftrag ihres Chefs Aksel Winther (Peter Mygind), der seine Befehle wiederum über Stockholm von den Briten erhält, exekutiert Flame zusammen mit seinem etwa zehn Jahre älteren Partner Jorgen (Mads Mikkelsen), der aufgrund eines früheren Jobs bei Citroen den Decknamen Citron trägt, dänische Journalisten und Spitzel, die mit den Nazis kollaborieren.

Sind der kaltblütige Flame und der sensiblere und ängstliche Citron, der vor allem als Fahrer fungiert, zunächst von der Rechtmäßigkeit ihres Handels voll überzeugt, da sie ja ihrer Meinung nach „nur“ Handlanger eines Terrorregimes töten, bekommt ihre Gewissheit Risse, als Flame einen von Hanns Zischler eindringlich gespielten Nazi töten soll, der sich im Gespräch als Widerstandskämpfer präsentiert. Zudem verliebt sich Flame in die zwielichtige Ketty (Stine Stengade), bei der lange nicht klar wird – und für Historiker im Grunde auch heute noch nicht klar ist - auf welcher Seite sie steht und ob sie den Widerstandskämpfer nicht nur für ihr Spiel instrumentalisiert.

Im Zwielicht

Wie bei den Protagonisten zerbrechen so auch beim Zuschauer zunehmend Gewissheiten und Fragen nach Gerechtigkeit und rechtmäßigem Handeln in Zeiten des Terrors werden aufgeworfen. Was man auch tut, immer scheint es das Falsche zu sein und auch, als sich Flame und Citron aus den dubiosen Ränkespielen Winthers ausklicken wollen und auf eigene Faust vorzugehen beschließen, begehen sie, von anderer Seite reingelegt, eine Tat, die ihr Gewissen schwer belastet.

Perfekt evoziert Ole Christian Madsen durch fahles Blaugrau eine an den Film noir erinnernde Stimmung der Ausweglosigkeit und Hoffnungslosigkeit, die nicht nur die beklemmende Atmosphäre der Zeit vermittelt, sondern auch die Befindlichkeit der Protagonisten spiegelt. Nicht nur als Widerstandskämpfer verlieren diese nämlich den Überblick, sind nicht Herr der Lage, sondern Spielbälle anderer, sondern auch privat befinden sie sich in einem ebenso schwierigen wie unsicheren Zustand: Während sich Flames Vater, der ein Hotel besitzt, mit den Besatzern arrangiert („Irgendwie muss man ja durchkommen“) zerbricht Citrons Ehe an seinem Widerstandskampf.

Kein glorreiches Bild vom Widerstand, eher ein schmutziges und höchst ambivalentes als eine Zeit des Verlustes aller Sicherheiten und moralischen Gewissheiten zeichnet Madsen. Flame und Citron setzt er, betont noch durch die Inserts am Schluss, die über ihre Verehrung als Helden nach dem Zweiten Weltkrieg informieren, zwar ein Denkmal, da sie aber weniger als selbst agierende als vielmehr als von außen manipulierte erscheinen, werden ihre Handlungen weder glorifiziert noch kritisiert. Sichtbar macht Madsen aber in langen Großaufnahmen der schweißgebadeten, von Thure Lundhardt und Mads Mikkelsen eindringlich gespielten Widerstandskämpfer, welche enorme psychische Anspannung und Belastung diese Aufträge, die ständige Angst vor Entdeckung, aber auch die Angst einen Fehler zu machen und Unschuldige – aber wer ist schon schuldig, wer unschuldig? – zu töten.


Wird bis Donnerstag, 26.3. vom TaSKino Feldkirch im Kino Namenlos gezeigt.