Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 07. Nov 2021 · Musik

Das Festival "Texte und Töne" ermöglichte vielsagende Berührungspunkte und öffnete Begegnungsräume

Anregende und künstlerisch vielseitige Erlebnisse bot das diesjährige Festival „Texte und Töne“, das im schönen Ambiente der Kulturbühne AmBach über die Bühne ging. Seit 2013 arbeiten das Ensemble Plus, der ORF, Literatur Vorarlberg und das Symphonieorchester Vorarlberg zusammen und richten mit gebündelter Kraft einmal im Jahr den Fokus auf Kompositionen, literarische Texte sowie Hörspiel unserer Zeit. Sechs neue Kompositionen von Martin Skamletz, Georg Furxer, Nikolaus Brass, Dietmar Kirchner, Jakob Gruchmann und Fabio Devigili wurden mit Spannung erwartet und von den zahlreichen Zuhörenden mit großem Zuspruch aufgenommen. Das hohe Niveau, insbesondere der Kompositionen und der Werkdeutungen, begeisterte und sorgte vom ersten bis zum letzten Ton für eine gute Stimmung. Darüber hinaus wurde Raum für Begegnungen und Gespräche in inspirierender Atmosphäre geschaffen.

Guy Speyers, künstlerischer Leiter des Ensemble Plus, und der Geschäftsführer des Symphonieorchesters Vorarlberg, Sebastian Hazod, stellten eine beeindruckende Palette an neuen Kompositionen zusammen, die die Bandbreite des musikalischen Schaffens in Vorarlberg und darüber hinaus gut abbildete. Einblicke in Schaffensprozesse boten kurze Gespräche, die Jasmin Ölz und Eva Teimel mit den Künstler:innen führten.
Mit der Uraufführung des Solowerkes „Viola“, einer feinsinnig poetischen Miniatur für Bratsche solo von Martin Skamletz, leitete Guy Speyers das Festival ein. Georg Furxers „3 Jazz Songs“ präsentierte die Sopranistin Sabine Winter im Zusammenwirken mit dem Ensemble Plus unter der Leitung von Thomas Gertner. Den Songs waren die Texte der berühmten Standards „Detour Ahead", "A Foggy Day" und "Cry Me A River" zugrunde gelegt. Die emotionsgeladenen und farbenreich instrumentierten Stücke sprachen die Zuhörenden unmittelbar an. „Ameisig“ von Dietmar Kirchner wurde ebenfalls vom Ensemble Plus unter der Leitung von Thomas Gertner erstmals gespielt. Das gesellschaftskritisch deutbare Werk brachte die Diskrepanz zwischen feinsinnig nuancierten musikalischen Themen einerseits und perkussiv treibenden Passagen andererseits plastisch zum Ausdruck. Mit der Uraufführung von „Shapes“ setzte der Saxophonist Fabio Devigili ein starkes Zeichen. In Personalunion agierte der Komponist als Bandleader des zu einem Jazzorchester mutierten Ensemble Plus und als Solist.

Neue Hörperspektiven

Es war eine hervorragende Idee von Guy Speyers, das Streichquartett „Via Vitae“ von Gerda Poppa, das bereits im Frühjahr präsentiert worden ist, bei „Texte und Töne“ nochmals aufs Programm zu setzen. Die Werkdeutung in der Kulturbühne AmBach begeisterte, denn die drei auskomponierten Temperamente kamen beziehungsreich und gut zur Geltung.
Stefan Höfel vom ORF Landesstudio und Martin Bröll an den Reglern ermöglichten via „spatial audio“ und mittels eines „Kunstkopfes“ besondere Hörerlebnisse. So konnte Gerald Futschers feingliedrig und polyphon gesetztes Sextett „matière inusitée“ mit einer speziellen Hörperspektive erlebt werden. Ein mitten im Ensemble postierter „Kunstkopf“ übertrug die musikalischen Linien direkt von der Tonentstehung des Instruments ausgehend in die Kopfhörer der Zuhörenden. Ebenfalls mit „Spatial Audio Technik“ wurde das Hörspiel „on records“ von Amos Postner präsentiert. Für diesen Beitrag hat der Autor den Kulturpreis des Landes Vorarlberg 2020 erhalten.

Text und Musik ergänzten sich nicht zwangsläufig gut

Eine Intention des Festivals „Texte und Töne“ besteht darin, Literatur und Musik künstlerisch zusammen zu führen und die beiden Genres in Beziehung zueinander zu setzen. Mit der Literaturpreisträgerin des Jahres 2021, Petra Pellini, arbeitete Nikolaus Brass zusammen. Entstanden ist das Werk „Schlafende Hunde führen nach Rom“ für Sprecherin, Bratsche, Violoncello und Klavier, das in der Kulturbühne AmBach uraufgeführt wurde. Aus der Perspektive einer demenzkranken Frau erzählte die Autorin kleine Episoden, zu denen Nikolaus Brass in fünf Abschnitten korrespondierende musikalische Felder setzte, die zwischen Distanz und Empathie changierten. Doch in diesem Werk zeigte sich, dass Musik, wenn sie im Wechsel mit gelesenen Abschnitten erklingt, sehr leicht in eine unvorteilhaft reflektierende oder gar illustrierende Rolle geriet.
Dies betraf auch die neueste Komposition von Jakob Gruchmann. Im Auftrag des Symphonieorchester Vorarlberg komponierte er „Caminata für Orchester“, inspiriert von einem Text der Autorin Angelika Lehner. Unter der Leitung von Leonhard Garms kam das Werk bei „Texte und Töne“ zur Uraufführung. Ein großer Orchesterapparat mit viel Perkussion stand zur Verfügung, denn Jakob Gruchmann hat aus dem Vollen geschöpft. Seine weitgehend auf kleingliedrigen Patterns aufbauende und motivisch verwobene Musik ergab einen „pointilistischen“ musikalischen Fluss. Teilweise wurde viel Energie frei gesetzt, allerdings stellte sich das musikalische Gefüge als ziemlich heterogenes Klangkonglomerat dar. Die zwischen den Abschnitten vorgetragenen Textpassagen aus Angela Lehners „Mallorca Miniaturen“ wirkten wenig überzeugend.
Eine direkte Verbindung von Text und Musik gingen Wolfgang Mörth und Peter Herbert in ihrer Performance „Kunstlos glücklich“ ein. In den musikalischen Verlauf mit Solokontrabass und Ensemble war die Sprechstimme direkt einbezogen. Vielgestaltig kam dabei die Doppelbödigkeit von „Brüderchen Gier und Schwesterchen Angst“ zur Geltung.

Großes musikalisches Spektrum

Die Räumlichkeiten in der Kulturbühne AmBach bieten dem Symphonieorchester Vorarlberg hervorragende Voraussetzungen, um auch größer besetzte Kompositionen zu präsentieren. Mit Tristan Murails Cellokonzert „De pays et d’hommes étranges“ begaben sich die Orchestermusiker:innen in für sie ungewöhnliche Klangwelten. Hervorragend musizierte der Cellist Stanislas Kim den Solopart und der Dirigent Leonhard Garms leitete das Symphonieorchester mit einer genauen Klangvorstellung.
Ebenso hohe Anforderungen stellte Sarah Nemtsov mit dem Werk „Treppen im Meer“ an die Musiker:innen. In dieser Werkdeutung spielten alle mit großem Bewusstsein füreinander, so dass die feingliedrigen musikalischen Texturen zu farbenreich schimmernden Klangflächen verschmolzen und das Orchester wie ein gelenkig agierender Organismus funktionierte. Der Impetus jüdischer Musik sowie Assoziationen über Verlust und Trauer waren eindrücklich nachvollziehbar.