Eine Musikerin, drei Musiker und ein Komponist präsentierten Klavierquartette – jubelnder Applaus im vorarlberg museum
Die Gattung des Klavierquartetts ist kompositorisch sehr reizvoll. Violine, Viola und Violoncello als vielseitig einsetzbarer Streicherpart und das Klavier, das unter Umständen ein ganzes Orchester evozieren kann, bieten variantenreiche Möglichkeiten. Mit intensiven Werkdeutungen des Quartettsatzes in a-Moll von Gustav Mahler und Johannes Brahms' Opus 25 stellten dies Hyeyoon Park (Violine), Gregor Sigl (Viola), Patrick Demenga (Violoncello) und Oliver Triendl (Klavier) im vorarlberg museum unter Beweis. Im Mittelpunkt des Kammerkonzertes standen zwei eindrückliche Werke von Richard Dünser.
Die Geigerin Hyeyoon Park ist eine bewundernswert emotionale Musikerin, die jede musikalische Phrase detailliert und mit einer faszinierend facettenreichen Tongebung zelebrierte. Am Klavier musizierte Oliver Triendl, ein sensibler Gestalter und Begleiter. Präsent und kraftvoll musizierte er seine Parts, doch nie trat er allzu dominant in den Klangvordergrund. Ebenso geistreich formten Gregor Sigl an der Viola und Patrick Demenga am Violoncello ihre Stimmen aus.
Den Rahmen für die beiden neuen Werke von Richard Dünser bildeten Kompositionen Mahler und Brahms. Der Streichquartettsatz in a-Moll von Gustav Mahler passte hervorragend zur musikalischen Gestaltungskraft der Quartettmusiker:in. Ausgehend von einem allmählich sich im Raum entfaltenden Klang wurden die Emotionen in einer ebenmäßigen Balance und mit ausgeprägten dynamischen Kontrasten spannungsgeladen ausgedeutet. Das Klavierquartett, op. 25 von Johannes Brahms ist oft im Konzert zu hören, denn die musikalische Energie, die vom spezifisch „ungarischen Touch“ dieser Musik ausgeht, verfehlt die Wirkung bei den Zuhörenden nie. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an die Werkdeutung mit Hyeyoon Park, Gregor Sigl, Patrick Demenga und Oliver Triendl. Und sie wurden nicht enttäuscht. Mit solcher Intensität, prägnant bis ins Detail und daraus folgend auch äußerst leidenschaftlich, habe ich dieses Werk schon sehr lange nicht mehr erlebt.
Lieder und Erinnerungen
Richard Dünser versteht es hervorragend, Werke aus ihrem ursprünglichen Zusammenwirken heraus zu lösen und ihnen eine mitunter verblüffend andere Aussagekraft zu verleihen. Im vorarlberg museum wurden drei Lieder von Hugo Wolf erstmals gespielt, die ursprünglich für Singstimme und Klavier entstanden sind. Spannend war nachzuvollziehen, wie Richard Dünser die Singstimme in den Liedern des Harfners „Wer sich der Einsamkeit ergibt“, „An die Türen will ich schleichen“ und das Lied der Mignon „So lasst mich scheinen“ von der ursprünglichen Form in den Klangfluss eines Klavierquartetts transferierte. Der syllabische Stil von Hugo Wolf, der sich ganz bewusst und sehr streng an die zugrundeliegenden Gedichte gehalten hatte, löste Richard Dünser in seinen Bearbeitungen auf. Er gewichtete die Melodielinien der Streichinstrumente und des Klavierparts neu und schuf damit eigenständige Werke, die als eine Art „Weiterkomponieren“ des Ursprungswerkes verstanden werden können.
„Ricordanze“ – Erinnerungen – lautet der Titel des neuesten Klavierquartetts von Richard Dünser, das in Bregenz als österreichische Erstaufführung zu hören war. Aus einem zwielichtigen Beginn kristallisierte sich allmählich der musikalische Klangfluss heraus, in dem die Themen fugenartig geschichtet und weiter über einem griffigen Klanggrund in impulsiven Gesten gesteigert erklangen. Auch in diesem Werk zeigte sich, dass Richard Dünser ein Meister der Instrumentierung ist, denn jedes Instrument erhielt mannigfaltige Möglichkeiten, sich gebührend in Szene zu setzen. Viele übermäßige Intervalle insbesondere im Klavierpart verliehen der Musik einesteils eine suchende und andernteils eine schwebende Gestik. Im Mittelteil wurde dies von den in unterschiedlichen Ausprägungen tremolierenden Streicherklänge unterstrichen. Rhythmische Impulse, ausgehend vom Violoncello und vom Klavier, entwickelten im dritten Satz unterschiedliche Episoden aus, in denen sich mitteilsame Dialoge zwischen dem Klavier mit der Violine, der Viola und dem Cello ausformten. Wirkungsvoll wurde zum Schluss hin das musikalische Metrum gedehnt.
Insbesondere der eher düstere Tonfall, die bedeutungsvollen Schattierungen in den melodischen Linienführungen und die an der zweiten Wiener Schule orientierte Harmonik zeichneten „Ricordanze“ aus und genau diese Stilmerkmale sowie Anspielungen auf Leos Janacek, Alexander von Zemlinsky und Alban Berg verwiesen auf den Tagebuchcharakter des Werkes.