Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Fritz Jurmann · 09. Jun 2022 · Musik

Talent und Tatendrang: Dirigent Tobias Grabher erhält das Wagner-Stipendium

Es war im April 2021, als der Routinevorgang einer Ensemblegründung in der Vorarlberger Musikszene ein kleineres Erdbeben auslöste, wie man es hier in dieser Intensität lange nicht erlebt hat. Die Überraschung gelang dem 24-jährigen Vorarlberger Dirigenten Tobias Grabher mit Musikern seines erst Monaten zuvor aus der Taufe gehobenen Kammerorchesters Camerata Musica Reno, dessen Mitglieder meist noch jünger waren als ihr Chef. Kein Zweifel, da war plötzlich die Elite der hochbegabten Jungen im Land am Werk. Schauplatz des Ereignisses war das Bregenzer Theater KOSMOS, wo Strawinskys anspruchsvolle „Geschichte vom Soldaten“ auf einem unfassbar hohen Niveau entstand und mit einer packenden Ladung von Talent und Tatendrang die Zuhörer vor Begeisterung aus der Fassung brachte.

Der Vorarlberger Richard-Wagner-Verband mit seinem Präsidenten Peter M. Stemberger stellte sich nun als einer der ersten Gratulanten für dieses mutige, richtungweisende Vorgehen mit dem begehrten Wagner-Stipendium 2022 für außerordentliche junge Begabungen an Tobias Grabher ein. Es enthält den freien Besuch dreier Operninszenierungen Richard Wagners bei den berühmten Bayreuther Festspielen im kommenden Sommer sowie Kontakte mit der Festspielleitung und Stipendiaten weiterer Wagner-Verbände aus aller Welt.

Unglaublich vielseitiger Musiker

Tobias Grabher, geboren 1997 in Altach, erwies sich bereits nach seiner ersten musikalischen Ausbildung an der tonart Musikschule (ehemals MS Mittleres Rheintal) als unglaublich vielseitiger und aufnahmefreudiger Musiker und Musikvermittler über viele Grenzen hinweg. Nach Stationen am Landeskonservatorium Feldkirch und an der Wiener Musikuniversität bei Mark Stringer ist er heute angehender Orchesterdirigent und Chorleiter sowie erfahrener Chorsänger und Posaunist. Er verwertet seine Kenntnisse aus verschiedenen renommierten Ensembles des Landes wie dem Jugendsinfonieorchester Mittleres Rheintal, dem Bregenzer Festspielchor und dem Landesjugendchor VOICES, mit der Posaune beim Renaissancequartett enco oder als Substitut im SOV.
Mit der Gründung seines eigenen Kammerorchesters Camerata Musica Reno hat er sich einen langjährigen Wunsch erfüllt und freut sich im Rückblick über die überaus positive Aufnahme, die er mit seinen Musikern bei der Premiere vor gut einem Jahr gefunden hat: „Diese Euphorie für unser frisch gegründetes Kammerorchester hätten wir uns zuvor nicht auszumalen getraut. Wir haben uns gewissenhaft auf unser Debüt vorbereitet und sind im Nachhinein überglücklich, dass wir den Erwartungen gerecht werden konnten. Es wurde uns auch bestätigt, dass wir mit selten gespielten und herausfordernden Orchesterwerken, interpretiert von einer hochmotivierten Besetzung aus jungen Leuten der Region, eine Lücke in der Vorarlberger Orchesterlandschaft füllen konnten.“

Neues Selbstbewusstsein für junge Musiker

Grabher hat damit auch neue Maßstäbe gesetzt und jungen, bereits top vorgebildeten Musikern neues Selbstbewusstsein vermittelt: „Junge Musiker müssen oft lange auf die Gelegenheit warten, ihr Können einzubringen. Dabei gibt es in Vorarlberg eine Fülle an fabelhaften Jungmusikern, denen Gehör geschenkt werden sollte. Ich habe eine Auswahl dieser jungen Spitzenmusiker versammelt, mit Studierenden vom Landeskonservatorium und Instrumentalisten, die in Vorarlberg aufgewachsen sind und in ihren weiter entfernten Studierstädten schon mit einem Fuß im professionellen Musikbetrieb stehen. Das ermöglicht uns Werke zu realisieren, an die sich ansonsten nur Profiorchester wagen.“
Tobias Grabher hat sich für seine Projekte vor allem das Repertoire des 20. Jahrhunderts vorgenommen: „Wir wollen außerdem Werke auf die Bühne bringen, die selten gespielt werden, den Orchestermitgliedern ein spannendes Experimentierfeld bieten und in Kombination mit außermusikalischen Elementen wie Schauspiel und rezitierter Literatur dem Publikum anregende Konzerterlebnisse bescheren.“ Diesem selbstgewählten Auftrag folgend, verwirklichte Tobias Grabher mit seinen Musikern und Schauspielern inzwischen zwei weitere Konzertprojekte mit „Der Bürger als Edelmann“ von Richard Strauss und Werken von Paul Hindemith, jeweils ergänzt durch passendes Textmaterial, und unterstrich damit die Besonderheit der Programmwahl ebenso wie das einmal angestrebte Niveau.
Bereits am 8. und 9. Juli, jeweils 19.30 Uhr, wird dieses junge Kammerorchester wieder im Theater KOSMOS in Erscheinung treten. Dieses Mal thematisieren die Konzerte den Klimawandel musikalisch mit Werken von Vivaldi, Haydn und Grieg zusammen mit Texten der Klima-Sachbuchautor:innen Katharina Rogenhofer und Florian Schlederer, deren Buch „Ändert sich nichts, ändert sich alles“ vergangenes Jahr im Zsolnay-Verlag erschienen ist.