Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Anita Grüneis · 12. Jun 2022 · Musik

Schlossmediale Werdenberg: Zeitreisen vom Barock ins Heute und zurück

Die 10. Schlossmediale in Werdenberg mit dem Thema „Echo“ ist schon bald Geschichte. Am vorletzten Abend wurde erneut zu einem ungewöhnlichen Konzert geladen. „Hall und Widerhall“ – so der Titel. Darunter verbarg sich viel Barockmusik, aber auch die Uraufführung eines zeitgenössischen Werkes von Beat Furrer. Er stand beim diesjährigen Festival als Komponist im Fokus.

Der 1964 in Schaffhausen geborene Beat Furrer gilt als einer der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart. Sie habe sich daher lange nicht getraut, ihn einzuladen, bekannte die künstlerische Leiterin der Schlossmediale Mirella Weingarten. Aber da die zweite Oper des Komponisten das Thema „Narcissus“ behandelt, bot es sich für das diesjährigen Festival mit dem Thema „Echo“ regelrecht an. Und so wagte sie eine Anfrage und Beat Furrer sagte sofort zu, ein Auftragswerk für dieses Festival zu schreiben. Im Vorgespräch zur Uraufführung seines Werkes meinte der Komponist, es gebe nicht nur ein äußeres Echo, sondern auch ein inneres. Der Klang müsse sich immer wieder von seiner Bedeutung befreien können und eigene Wege beschreiten. Und die Sprache sei immer besetzt mit Deutung. Was man nicht sagen kann, das könne man vielleicht singen.

Dialog: Countertenor und Kontrabassklarinette

Und so sang der Countertenor David Feldman die Uraufführung von Beat Furrers „Mirando al mundo [...] Aquella nube que yo Miré“ – eine Betrachtung der Welt durch den Sänger und die Kontrabassklarinettistin Gaia Galbazzi. Die Töne der beiden spiegelten sich und dann doch wieder nicht. Beide loteten ihre Instrumente in allen Klangfarben aus – da wurde die Stimme zum Instrument und das Instrument zur Stimme. Ihrer beider Spektrum reichte von den kaum hörbaren Tönen bis hin zu den sonoren erdigen Klängen. Dazwischen überlappten sich die Töne, dann schien es wieder, als ob jeder seine eigene Stimme suchen würde. Eine ungewöhnliche Performance inmitten der unruhigen Installation mit schwarz/weiß Bildern von Gudrun Barenbrock, eine der diesjährigen Stipendiat:innen.

Wanderkonzert bis ins Dach

Fast jedes Konzert bei dieser Schlossmediale ist ein „Wanderkonzert“, das heißt, das Publikum zieht mit den Musiker:innen von Stockwerk zu Stockwerk. An diesem Abend begann es mit den Kanons „Yesh et Leamol“ des in der Ukraine geborenen Komponisten Yedidyah Admon. Die Countertenöre David Feldman und Oskar Verhaar sangen sie in der Aufgangstreppe und führten das Publikum so ins Schloss hinein bis zum zweiten Obergeschoss und der Uraufführung. Von dort wanderte das Publikum dann allein weiter bis zum ersten Dachgeschoss, wo es von einem größeren Orchester erwartet wurde und sich zudem in einer neuen Zeit wiederfand. Denn nun folgte Musik aus der Barockzeit, dabei war vor allem das erste Stück, Johann Sebastian Bachs „Fantasie und Fuge in A-Moll MWV 944“, ein absoluter Kontrast zu der eben gehörten Musik von Beat Furrer. Die beiden Schwestern Jessica und Vanessa Porter entzündeten auf ihren Marimbas ein Feuerwerk von vertrauten Klängen. Sie musizieren seit ihrer Kindheit zusammen und arrangieren sich jeweils die Werke für ihre Instrumentarien. Ihre „Bachmusik“ war zum Niederknien!

Zeitreisen von Bach zu Smolka

Doch auch all die Werke danach, meist gesungen von den beiden Countertenören David Feldman und Oskar Verhaar (statt des erkrankten Doron Schleifer) und gespielt von Ziv Braha an der Theorbe, Daniel Rosin am Cello, Tobias Lindner an der Orgel, den Porter-Sisters mit ihren Marimbas und Gaia Gabazzi an der Kontrabassklarinette waren ein perfektes Zusammenspiel auf Augenhöhe. Da klang das Halleluja bei Giovanni Paolo Cimas „O sacrum convivium“ extrem innig und jubilierend zugleich, dagegen erlebte es in Monteverdis „Selva Morale e Spirituale“ alle Schattierungen – von tiefer Traurigkeit bis zum fröhlichen Tanz. Die beiden Countertenöre ließen so manches Werk zur szenischen Lesung werden – wobei vor allem Oskar Verhaar der Schalk in den Augen saß. Den Schlusspunkt setzte dann eine zeitgenössische Komposition vom 1948 geborenen Robert Lloyd. Das Stück hieß „Boo Bam Music“, Jessica und Vanessa Porter spielten es präzise und rasant auf ihren Pipes, während sich in Laura Siegmunds und Manon Greiners Bewegungstanz die Grenze zwischen zwei spiegelnden Körpern auflöste.  
Dieses vorletzte Konzert der 10. Schlossmediale zeichnete sich wiederum durch den Mut aus, Alte und Neue Musik zu verknüpfen – Musiker singen mit ihren Instrumenten und Sänger spielen mit ihren Instrumenten. Es sind Zeitreisen der besonderen Art – immer umringt von Klängen, die aus der Tiefe des Alls mittels exzellenter Musiker:innen ins Werdenberger Schloss gebracht werden. 

www.schlossmediale.ch