Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 05. Jun 2022 · Musik

Gelungenes Zusammenspiel von Analog und Digital – das Ensemble Plus gab im vorarlberg museum ein inspirierendes Konzert

Das zweite „Sul palco“ Konzert des Ensemble Plus stand unter dem Motto „Strom“. Der Titel war passend gewählt, denn die Ensemblemusiker:innen rund um Guy Speyers und unter der Leitung von Thomas Gertner haben das Repertoire ihrer Musikauswahl erweitert. Ein neues Equipment ermöglicht es dem Ensemble, nun auch Kompositionen mit Electronics zur Aufführung zu bringen. Im vorarlberg museum wurde ein spannendes Programm geboten. Auf der einen Seite erhielten Werke von Michael Floredo und Wolfgang Rihm viel Zustimmung und auf der anderen Seite begeisterten die mit elektronischen Sounds verbundenen Kompositionen von Nico Muhly und Sarah Nemtsov.

Michael Floredo komponierte sein Werk „Zwischen Dialog und Monolog“ für Flöte und Posaune bereits vor 30 Jahren für Hanna und Christian Muthspiel. Die Dialogstruktur der beiden Instrumente und die Kommunikation zwischen den beiden emotional geführten Stimmen verflochten Anja Nowotny- Baldauf an der Flöte und Thomas Gertner an der Posaune mit viel Esprit. Im Vorspann informierte der Komponist über seine Intentionen zur Werkanlage, in der philosophische Überlegungen zum Dualismus eine tragende Rolle spielen. Ein besonderer Clou bestand auch darin, dass das Werk nicht im Vortragsraum des vorarlberg museum dargeboten wurde, sondern auf der Galerie. So kamen die Klangfarben in der für die Blasinstrumente hervorragenden Akustik wunderbar zur Geltung und erhöhten den musikalischen Ausdrucksgehalt des Werkes zusätzlich.
„En plein air“ für Flöte, Klarinette, Harfe und Streichquartett von Wolfgang Rihm interpretierten Anja Nowotny-Baldauf (Flöte) und Hauke Kohlmorgen (Klarinette), Michaela Girardi, Anita Martinek, Guy Speyers und Jessica Kuhn im Streichquartett und in ihrer Mitte die Harfenistin Ulrike Neubauer mit konzentriertem Ausdruck. Das feinsinnig angelegte kompositorische Geflecht entfaltete sich zwischen den Stimmgruppen, die jeweils unterschiedliche Allianzen miteinander eingingen. Während zuerst die Holzbläserstimmen Impulse setzten, die auf Resonanzen der Streicher:innen trafen, wechselten im Laufe des Geschehens die kontrapunktisch angelegten Instrumentalstimmen ihre Rollen. Einwürfe der Harfe ließen immer wieder aufhorchen und ergaben überraschende Wendepunkte. Den musikalischen Fluss illustrierte das Ensemble unter der Leitung von Thomas Gertner hervorragend und spannend, trotzdem hatte das Werk einige Längen.

Zuspielung und Kaoss Pad

„Keep in Touch“ für Viola und Zuspielung des amerikanischen Komponisten Nico Muhly musizierte Guy Speyers solo und in Kommunikation mit einem Zuspielband, an den Reglern unterstützt von Kenichi Kawabata. Nach einer ruhigen Solopassage bewirkte die Zuspielung eine Verräumlichung des musikalischen Duktus, die der Solopassage der Bratsche stets neue Umgebungszusammenhänge und auch Begegnungszonen bot. So änderten sich die Szenarien ständig und es entfaltete sich ein unterhaltsames Mit- und Gegeneinander zwischen der Bratsche und den elektronischen Sounds. Diese erlangten im Verlauf die Oberhand, solo beendete die Bratsche das mitteilsame Werk.
Höhepunkt des Abends stellte die Komposition „Zimmer I-III“ von Sarah Nemtsov für acht Musiker:innen dar. Die drei Zimmer deuteten in der gleichen Besetzung wie das Werk von Wolfgang Rihm drei musikalische Räume an. Auf der einen Seite erklang das Streichquartett, auf der anderen Seite agierten die beiden Holzbläser und im „dritten Raum“ war die Harfe postiert. Diese war verbunden mit einem sogenannten Kaoss Pad, das aus den Originalklängen der Harfe enorm viele elektronische Soundeffekte „ableitete“. Die Geräusche beim Umstimmen der Harfe und dem Drücken der Pedale bildeten unter anderem interessante musikalische Ausgangsmaterialien. Roché Jenny spielte das Kaoss Pad und setzte die von Sarah Nemtsov genau beschriebenen Sounds wirkungsvoll in Szene. Auf diese Weise entwickelten sich reizvolle Metaebenen und musikalische Schichten.
Über weite Strecken agierten die Streicher:innen als Perkussionist:innen. Allmählich wurde der musikalische Strom in einen voluminösen Gesamtklang überführt. Auch die Flöte und die Klarinette waren weniger als Blasinstrumente, sondern als Perkussionsinstrumente mit Klappengeräuschen zu hören. Zusätzlich bildeten Tippgeräusche auf Laptops musikalisches Ausgangsmaterial für das theatralisch angelegte Werk. Ein weiterer Reiz der Interpretation bestand darin, dass die optische Wahrnehmung der Musiker:innen auf der Bühne und die gehörte Musik durch die elektronischen Mittel spannungsgeladen irritiert wurden, denn die zu hörende Musik war den Instrumenten nicht mehr direkt zuordenbar. Unterschiedliche Emotionen blieben nach der Darbietung nicht aus, doch gerade darin lag auch ein besonderer Reiz.
Engagiert spielten die Musiker:innen des Ensemble Plus, bei Thomas Gertner liefen die Fäden zusammen. Zudem führten Ensemblemitglieder sympathisch und informativ durch das Programm. Guy Speyers, Jessica Kuhn und Ulrike Neubauer erläuterten die Werke und schufen damit einen guten Kontakt zum interessiert und konzentriert zuhörenden Publikum, das zum Schluss begeistert für die inspirierenden Werkdeutungen dankte.

www.ensembleplus.at