Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Thorsten Bayer · 20. Apr 2018 · Musik

Sympathisch, mitreißend, tanzbar – Selig im Conrad Sohm

Mitte der neunziger Jahre machte Selig als einer der rockigsten Vertreter der „Hamburger Schule“ mit Songs wie „Wenn ich wollte“ oder „Sie hat geschrien“ von sich reden. Nach einer zehnjährigen Pause fanden sich die Mitglieder 2008 wieder zusammen. In Dornbirn stellten die Musiker ihr aktuelles Album „Kashmir Karma“ vor und bewiesen dabei, dass sie immer noch vor Spielfreude sprühen.

Vom ersten Ton an hat die Band das Publikum im Griff. Eine Vorband gibt es heute Abend nicht, das Konzert geht gleich in die Vollen. „Zeit ist ein Raum / Die Welt ist ein Traum“ singt Jan Plewka, der heute Abend einen schwarzen Hut trägt. Mit Gitarrist Christian Neander, Leo Schmidthals am Bass und Stephan „Stoppel“ Eggert hat er zum erdig-rotzigen Sound der frühen Alben zurückgefunden. So fügen sich von Anfang an alte und neue Stücke nahtlos zusammen – ein Konzert wie aus einem Guss, das dennoch viel Abwechslung bietet. Auf den Klassiker „Ist es wichtig?“ folgen mit „Nimm mich so, wie Du bist“ und „Viel zu bequem“ zwei aktuelle Nummern.
Auf der Bühne steht eine spürbar gut gelaunte Band: Leo Schmidthals singt aus voller Kehle jede Zeile mit, Jan Plewka tanzt ausgelassen um seinen Mikroständer herum. „Ihr seht vier unglaublich entspannte Jungs vor Euch“, spricht Plewka das Offensichtliche aus. Nach ihrer Ankunft am Vormittag in Dornbirn machten die Musiker einen Ausflug in die Rappenlochschlucht, der einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. „Ihr habt es so schön hier“, ruft Plewka ins Publikum. Dem düsteren Zynismus, den Angstwolken, die er um sich herum spüre, möchte er eine „neue Romantik“ entgegensetzen: „Selig ist ein Zustand!“ Bei anderen könnten solche Sätze seltsam wirken, aufgesetzt oder bekifft. Bei Jan Plewka ist das nicht der Fall, der 47-Jährige wirkt einfach nur ehrlich.

Zurück zu den Wurzeln

Mit „Schau schau“ gibt die Band unterdessen Gas und sorgt mit den sehr gelungenen Laut-Leise-Wechseln für einen ersten Höhepunkt des Abends. Tanzbare Songs sind bis heute eine Spezialität der Hamburger geblieben. Mit der Zeit wiederholen sich zwar einige Muster, Riffs klingen ähnlich – doch an dem großen Vergnügen ändert das nichts. Als „Reise auf die dunkle Seite der Sonne“ moderiert Plewka „High“, einen der ältesten Songs, an. Christian Neander drückt das Wah-Wah-Pedal bis zum Anschlag durch und zeigt seine enormen musikalischen Fähigkeiten. Er ist tatsächlich der einzige Gitarrist auf der Bühne. Oft genug klingt es nämlich so, als müssten es mindestens zwei sein. Bei „Unterwegs“ wird es deutlich nachdenklicher: „Unterwegs, um zu vergessen / Nicht mehr vermissen müssen / Was hinter mir liegt, erleuchtet den Weg / Bis die Welt sich leise aus der Zeit rausdreht“.  

Produktive Reise nach Schweden

Mit „Kashmir Karma“ schließt sich mindestens ein Kreis. Nach dem Ausstieg des Keyboarders Malte Neumann vor vier Jahren zog sich die Band an die schwedische Westküste zurück, um das neue Album aufzunehmen. Das war die Idee von Plewkas Ehefrau Anna: Sie hat dort von ihren Großeltern ein kleines Haus geerbt. „Kashmir Karma“ war übrigens ursprünglich 1993 ein Vorschlag für den Bandnamen gewesen, nun wurde es zum Titel des neuen Werks, das im Herbst 2017 erschien.
„Wir werden uns wiedersehen“ spielen die vier passenderweise zum Abschluss des regulären Sets, als bereits 100 Minuten verstrichen sind. „Wir sind Selig, ihr seid es auch“, ruft Plewka zum Abschied – was natürlich noch nicht das letzte Wort ist. Drei Zugaben, alle vom Debütalbum, folgen noch: „Wenn ich wollte“, „Sie hat geschrien“ und natürlich die Hymne „Ohne Dich“. Mit diesem „betrunkenen Liebeslied“ (Plewka) geht eine unprätentiöse und sehr sympathische Show zu Ende.

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