Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Peter Füssl · 29. Apr 2009 · Musik

Stehende Ovationen für Sophie Hunger

Mit zwanzigminütiger Verspätung betritt sie sichtlich nervös die Bühne und intoniert den ersten Song. Sophie Hunger, 1983 in Bern geboren, wird dank ihrer neuesten, beim Major-Label Universal erschienenen CD „Monday’s Ghost“ zu den Toptalenten in der derzeit so angesagten Branche der jungen Singer-Songwriterinnen gezählt. Zurecht, wie sich zeigte, denn eine Stunde später forderte das Publikum mit frenetischem Applaus vier Zugaben.

Das Konzert in der Reihe "Songs & Voices" am Dornbirner Spielboden war das Eröffnungskonzert der Promotion-Tour, die Sophie Hunger und ihre 4-Mann-Band in den nächsten Wochen auch noch nach Deutschland, Frankreich, Belgien und Großbritannien führen wird. Sie sei sehr nervös gewesen, denn sie habe gar nicht gewusst, was sie an diesem Abend erwarte, wird sie später dem Publikum etwas lockerer erzählen, und der Erfolg freue sie sehr. Sophie Hunger hält keine großen Reden, verhuscht manchmal ihre Ansagen, wirkt zurückhaltend und bescheiden – gewinnend auf eine sehr sympathische Art.

Beachtliches kompositorisches Talent

Aber schließlich ist man/frau – und der Saal war praktisch ausverkauft – ja auch nicht gekommen, um die Sophie Hunger (bürgerlich: Emilie Jeanne-Sophie Welti) reden zu hören, und was dieses Supertalent musikalisch zu bieten hat, war durchwegs begeisternd. Hunger nimmt mit einer sehr wandlungsfähigen Stimme, die gleichermaßen zärtlich wie ganz schön zupackend oder auch als emotional aufpeitschende Soul-Röhre daherkommen kann, gefangen. Ihre Songs entziehen sich den üblichen Schubladen, haben durchaus Kanten und Ecken, überraschende Wendungen und Endungen. Sophie Hunger verfügt über ein beachtliches kompositorisches Talent mit einem zielsicheren Gespür für dynamische Abstufungen und Effekte und für abwechslungsreiche Arrangements. Dabei habe sie nur sehr wenig theoretisches Hintergrundwissen, wie sie einmal in einem Interview erklärte, und mache das meiste aus dem Bauch heraus. Sie müsse den Musikern ihre Ideen meistens vorspielen, weil sie nicht in der Lage sei, sie zu notieren.

Bestens eingespielte Band

Davon ist am Spielboden nichts zu merken, denn Sophie Hunger, die an Gitarre, E-Gitarre und Piano werkt, liefert mit ihren jungen Schweizer Mitmusikern ein perfektes Konzert. Michael Flury überzeugt mit einfühlsamen, auch mal jazzig-growlenden Posaunen-Tönen, Christian Prader steuert Passendes an Gitarre, Flöte, Klavier und Mundharmonika bei, und Bassist Balz Bachmann und Drummer Julian Sartorius legen das perfekte rhythmische Grundgerüst. Man spürt, dass die Band-Chemie passt und man sich sozusagen blind versteht. Gemeinsam schöpfen sie aus dem reichhaltigen Inventar der zeitgenössischen Popularmusik, und machen das Niemandsland aus Indie-Pop, Folk-Picking, Soul und ein bisschen Jazz-Feeling zum Sophie-Hunger-Land. Auch zwei Bob Dylan-Klassiker werden respektvoll und einfühlsam adaptiert und fügen sich nahtlos ins Repertoire.

Unmittelbarkeit der Gefühle

Der Reiz eines Sophie Hunger-Konzerts liegt nicht in der Perfektion der Darbietung, sondern in der Unmittelbarkeit der Gefühle, denn nichts wirkt geschliffen oder glatt. Ihre Songs, ob in Englisch oder auf Schwyzerdütsch, sind Rohdiamanten, die beim Schleifen an Glanz verlören.
Ganz zum Schluss, als das Publikum nach drei Zugaben immer noch mehr will, setzt sich die Band vorne auf die Bühnenrampe und singt und spielt völlig unverstärkt den Song „Tell the Moon“. Ein stimmiges Ende für den ersten und mit großer Wahrscheinlichkeit  auch nicht letzten Auftritt der Sophie Hunger am Dornbirner Spielboden.