Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Fritz Jurmann · 12. Okt 2013 · Musik

Standesdünkel und ein „Happy End“ - Die Götzner „Csárdásfürstin“ bietet trotz vieler Klischees beste Operetten-Unterhaltung

So muss Operette heute sein, wie sie am Freitagabend in der neuesten Produktion des Musiktheaters Vorarlberg mit Emmerich Kálmáns „Csárdásfürstin“ gezeigt wurde: Von Regisseur Werner Pichler spritzig und temperamentvoll inszeniert und unter der künstlerischen Leitung von Nikolaus Netzer auf einem Level, der die Qualität dieser unsterblich gewordenen Musik ins rechte Licht rückt. Dass der erste Akt infolge des Premierenfiebers einiger Protagonisten unter den hohen Erwartungen blieb, die man angesichts des fulminanten „Don Giovanni“ im Vorjahr hatte, tut der imponierenden Gemeinschaftsleistung und dem Gesamterfolg keinen Abbruch. Eine vollbesetzte Götzner Kulturbühne AmBach bejubelte am Schluss minutenlang Mitwirkende und Leading Team.

Operette ernst nehmen


Das Musiktheater Vorarlberg hat mit dieser Produktion, wie in einer ausführlichen Vorschau in der Printausgabe der KULTUR angekündigt, tatsächlich die Operette „ernst genommen“, die im dreijährlichen Wechsel mit Oper und Musical heuer an der Reihe war. Äußeres Zeichen dafür ist, dass man sich im Gegensatz zur langjährigen Tradition dieses Genres in Götzis seit Jahren der Mitwirkung ausgewiesener Fachleute versichert und damit das Niveau ganz deutlich professionalisiert hat. Dazu gehört auch, dass man sich unter Anleitung der rührigen Präsidentin Margit Hinterholzer in eigenen Vorstellungen und Aktionen um die Jugend bemüht und dank vieler Sponsoren auch auf eine breit gestreute finanzielle Unterstützung zählen darf.

Beste Voraussetzungen also für die Umsetzung eines Werkes, das 1915 mitten im Ersten Weltkrieg eine Art Hurra-Patriotismus verbreitete und von einem Libretto lebt, das so unzeitgemäße Erscheinungen wie gesellschaftliche Standesdünkel zwischen Adel und Bürgertum in den Mittelpunkt rückt. Der adelige Fürst verbietet seinem Sohn, eine Chansonette zu heiraten, bis herauskommt, dass auch seine eigene Frau ohne sein Wissen ein solches Vorleben hat. Die Handlung changiert gekonnt zwischen zwei Paaren im „Bäumchen-wechsle-dich-Spiel“, bis jeder im unvermeidlichen Happy End endlich den richtigen Partner gefunden hat. Dies alles geht natürlich nicht ohne die wohl unvermeidlichen klischeebehafteten Gags, Klamauk, abgestandenen Wortwitze und dümmlichen Kalauern aus der Mottenkiste vonstatten, von denen das Genre einfach bis heute lebt.

Ohne Modernisierungsversuche


Es ist der langjährigen Erfahrung des österreichischen Regisseurs Werner Pichler zu danken, dass er nicht einmal den Versuch einer „Modernisierung“ dieser Vorlage gewagt hat. Wenn Operette überleben kann, dann einfach in dieser seit einhundert Jahren bewährten und belachten Originalversion ohne alle zeitgeistigen Anspielungen. Dafür hat Pichler in der Profilierung der Protagonisten die gesellschaftlichen Gegensätze herausgearbeitet, hat mit einer deutlich spürbaren Bewegungsregie auch für den notwendigen straffen Ablauf gesorgt und auf der engen Bühne auch den Chor und das Ballett sinnvoll drapiert. Allein die „b‘soffene G’schicht‘“ im 2. Akt hätte man sich etwas dezenter gewünscht.

Hartmut Holz hat ihm dafür mit relativ einfachen Bühnenaufbauten, wie sie in einem Haus ohne Schnürboden nun einmal unvermeidlich sind, ein stimmungsvolles Ambiente zwischen Backstage-Szenerie, einem prächtigen Salon und einer Mischung zwischen beidem geschaffen und die Darsteller mit prächtigen Kostümen aus der Zeit ausgestattet.

Kálmáns Musik trägt diesen Abend


Die Musik Emmerich Kálmáns mit ihrem erstaunlichen Reichtum an zündenden Melodien „trägt“ diesen Abend, ausgestattet mit packenden dramatischen Akzenten und mitreißendem rhythmischen Elan. Vor allem in den Vor- und Zwischenspielen, in den Übergängen erreicht sie teils opernhafte Dimensionen, packt die Zuhörer im Wechsel von heiter beschwingten, melancholisch umdüsterten, lustig draufgängerischen und leidenschaftlich erregten Szenen und Melodien, die sich im Laufe des Abends wie eine Hitparade der Operette aneinander reihen.

Nikolaus Netzer am Pult eines vorwiegend aus Musikern des Symphonieorchesters Vorarlberg besetzten Operettenorchesters kann in der Umsetzung dieser genial zeitlosen Partitur aus dem Vollen schöpfen. Das klingt in der gekonnten, teils etwas üppigen Instrumentation Kálmáns vom spritzigen Vorspiel an absolut professionell und ausgestattet mit den Besonderheiten des hier meisterhaft verarbeiteten ungarischen Idioms. Da schluchzen die Geigen, brummen die Bässe, da symbolisiert die melancholische Klarinette (wunderbar: Georg Vinciguerra) die Weite der Puszta, fährt der Csárdás den Sängern in die Beine.

Die Solonummern, Duette und Ensembles sind sehr genau geprobt und lassen deshalb ohne Abstriche an Perfektion immer wieder erstaunliche rhythmische Abweichungen zu. Auch in den Tempi wirkt alles sehr natürlich, nur die Lautstärke aus dem Graben ist vor allem im ersten Akt noch überzogen, bringt manche Sänger ins Abseits und macht einen melodramatisch gesprochenen Dialog unverständlich. Das gibt sich freilich im 2. Akt, und vor allem das Finale 3. Akt wird dann zur glänzend geballten Offenbarung aller musikalischen Kräfte in einer sehr ausgewogenen Balance.

Amateure bewähren sich neben Profis


Der gemischte Chor aus Amateursängern der Region, die André Vitek einstudiert hat, macht seine Sache gut und fügt sich als Volk auch darstellerisch ins Geschehen ein. Das in einem solchen Fall ebenfalls erforderliche Ballett wird von acht Amateur- Tänzerinnen der „Dance Hall“ Götzis gestellt, acht Mädchen, die als verführerische „Mädis vom Chantant“ freilich noch fast zu kindlich jung wirken, aber mit viel Mut und Bewegungsfreude die ihnen von Alfredo Karl zugedachte einfache Choreografie umsetzen.

Die Hauptpartien sind wie üblich professionell besetzt, im Mittelpunkt des Geschehens die Feldkircherin Christine Schneider, die nach zahlreichen Operettenerfahrungen im Land als Soubrette nun den Fachwechsel zur Hauptrolle der „Csárdásfürstin“ Sylva Varescu gewagt hat. Eine strahlende Bühnenerscheinung, die sich mit ihrem hellen, tragenden und höhensicheren Sopran rasch freisingt und bereits zum Ende des 1. Aktes in einem Ausbruch von Zorn und Enttäuschung auch schauspielerisch erstaunlich zu überzeugen vermag. Nach diesem gelungenen Debüt wird sie weiter in dieses Fach hineinwachsen. Ihre gesanglichen Höhepunkte sind die wunderbar lyrische Melodie des Mollwalzers „Weißt du es noch?“ und das Duett mit ihrem Partner, dem schwedischen Tenor Johan Weigel als Edwin, „Tausend kleine Engel singen: Hab mich lieb!“. Dieser braucht seinerseits eine gewisse Anlaufzeit, um dann aber durchaus mit den erwarteten leuchtenden Tönen aufzutrumpfen und seine Zerrissenheit zwischen den beiden Damen glaubhaft zu machen.

Ganz köstlich gezeichnet ist das Buffopaar dieser Inszenierung, das sehr viel zum Gaudium des Publikums beiträgt. Als leicht belämmerte verliebte Komtesse Stasi stellt die Tirolerin Marita Lechleitner als Soubrette neben dem gesanglichen vor allem ihr komödiantisches Talent unter Beweis. Ihr Partner, der Klagenfurter Tenorbuffo Mario Podrecnik, schwirrt unentwegt als schwer verliebter Graf Boni in der Rolle eines Parade-Ungarn über die Bühne. Besonders gefallen die beiden in ihrem Duett „Das ist die Liebe“. Der amerikanische Bariton Fryan Benner spielt als Bassbuffo seinen Freund Feri, das in den Konventionen erstarrte Fürstenpaar von Lippert-Weylersheim geben der steirische Bariton Reinhard Razen und die bereits öfter am Musiktheater tätig gewesene Altistin Gisela Razen. Ernst Walser stellt in der Sprechrolle des Eugen von Rohnsdorff einen wackeren Offizier auf die Bühne.

 

Weitere Vorstellungen in der Kulturbühne AmBach, Götzis:

So, 13. Oktober 19.30 Uhr
Mi, 16. Oktober, 18.00 Uhr
Sa, 19. Oktober, 19.30 Uhr
So, 20. Oktober, 18.00 Uhr
Dauer ca. zweieinhalb Stunden

www.mtvo.at